Künstler sind - ob sie's wollen oder nicht - stets auch Philosophen. Weil sie als Individualisten eigene Wege gehen. Und sich dabei jenseits ausgetretener Pfade ihre höchst eigenwilligen Zugänge bahnen. Um schließlich das, was ihre Ideenwelt bestimmt, lustvoll Realität werden zu lassen.
Die Niederländerin Wies Noest, die noch bis Ende Juli unter dem Titel "Being there" ihre aufblasbaren bunten Textilarbeiten ausstellt, ist auch so eine Freundin der Weisheit, die das Künstlergewand übergezogen hat. Bei ihrem Besuch in Amberg, zur Ausstellungseröffnung Anfang Mai, hat Wilhelm Koch sie interviewt - weil er etwas erfahren wollte, über ihre Arbeitsweise. Und weil eine Kamera mitlief, hat er praktischerweise dieses Gespräch auf YouTube ins Web gestellt. Dabei wollte der Luftmuseumsgründer auch wissen, wie planvoll sie denn vorginge, wenn sie ihre Skulpturen aus bunten Stoffbahnen zusammennäht.
Man sieht es dem spitzbübischen Gesicht der 73-Jährigen an, wie sie zunächst die Lachmuskeln spielen lässt, um ihn ein bisschen auf die Folter zu spannen, mit ihrer Antwort. Ja, ja - jede ihrer Skulpturen, die koste sie zunächst mehrere Wochen Näharbeit. Aber einen Plan? Sie lächelt entwaffnend. Und erwidert schließlich ganz nonchalant: "Ich mache schon Pläne!" Kurze Pause. "Aber ich vergesse sie dann wieder!" Und auf diese Pointe folgt noch ein Satz, den man auch als Beschreibung der Quintessenz ihrer Arbeit verstehen kann: "Es ist nämlich viel besser, auf die Inspiration des Moments zu vertrauen!"
Wucht und Witz
Auch Johanna Foitzik, im Luftmuseum fest etablierte Kraft neben Wilhelm Koch und viel mehr als das Mädchen für alles, zeigt sich fasziniert von der Arbeitsweise der Niederländerin. Die hat nämlich das Textilhandwerk nicht nur von der Pike auf gelernt (also Nähen von Hand wie mit der Maschine, Klöppeln, Weben, Spitzenstickerei), sie war auch lange Zeit an der Hochschule Leeuwarden als Lehrbeauftragte für Visuelle Kommunikation und Konzepte tätig.
Spirituelles Nieseln
Dabei hat sie ihre handwerklichen Kenntnisse wie auch ihre künstlerischen Inspirationen weitergegeben, an Studenten. "Es ist einfach beeindruckend", sagt Foitzik, die Wies Noest als Gast der Luftnacht 2018 kennengelernt hat, "wie sie ihre Skulpturen quasi als Leinwand nutzt. Während andere Künstler malen, näht sie die Farben zusammen. So entstehen nicht nur dreidimensionale Bilder, sondern zudem farbkräftige Kompositionen, die Volumen haben und aufgeblasen sind." Um dann begeistert zu schließen: "So etwas ist mir noch nie zuvor begegnet!"
Tatsächlich verfügen die im Luftmuseum versammelten Arbeiten über grazile Wucht - und gleichzeitig über feinen Witz. Und weil sie stets in Bewegung sind, könnte man sie fast für lebendige Wesen halten, die dazu da sind, unser oftmals so tristes Dasein ein bisschen aufzuheitern.
Ulli Böhmelmann, 1970 in Mainz geborene und heute in Köln ansässige Künstlerin, hat ihre gleichermaßen leise wie kluge Installation (die in Kooperation mit den Kunstsammlungen des Bistums Regensburg entstanden ist) in der kurfürstlichen Kapelle mit "Ruach" überschrieben - dem hebräischen Wort dafür, wenn vom "Hauch Gottes" die Rede ist. Mit ihrer Arbeit reagiert sie auf die Sakralität und die Würde des Raums. Dabei berührt sie die Betrachter ihrer Arbeit im wahrsten Wortsinne nicht nur auf der Haut, sondern auch tief drinnen, in der Seele.
Ihre Installation, sie besteht aus einer unüberschaubar großen Zahl dünner blauer Fäden, die von einer vier Quadratmeter großen Tuchfläche herunterhängen und dabei den Kapellenraum überspannen. Wie ein feiner, textiler Nieselregen fallen die Fäden herab, vom Himmel. Zur Mitte hin ist ein bogenförmiger Raum freigeschnitten, der den Blick freigibt, auf den Altar. So lädt die Künstlerin die Besucher nicht nur zum Innehalten ein, sondern weitet das Stofflich-Taktile hin zu einer spirituellen Begegnung - und lässt so dem profanierten Raum ein Maß an Heiligkeit zuwachsen, die eine Ahnung vermittelt, von dessen ursprünglicher Bedeutung.
Service
Ausstellungen: „Being here“ – Luftskulpturen von Wies Noest und „Ruach – ein Hauch von Gott“ von Ulli Böhmelmann. Bis 28. Juli
Ort: Luftmuseum, Eichenforst-gäßchen 12, 92224 Amberg
Kontakt: Telefon 09621/420883, mail[at]luftmuseum[dot]de
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag: 14 bis 17 Uhr, Samstag, Sonntag, Feiertage: 11 bis 17 Uhr
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