Man merkt richtig, wie hungrig unser Publikum ist!" Was beweist: Kunst ist ein Lebensmittel. Etwas Unverzichtbares, das dem System der menschlichen Seele Nahrung gibt. Ein Stoff, der gleichzeitig über magnetische Anziehungskräfte verfügt, weil er uns ins Verhältnis zur Welt zu setzen vermag. Und dabei mit höchst relevanter Energie ausstattet.
Gestalter und Ingenieur
Über eine Bemerkung im Besucherbuch hat sich Johanna Foitzik ganz besonders gefreut: Ein Gast zeigte sich von den im Erdgeschoss ausgestellten Arbeiten des niederländischen Design-Duos "Toer" so überwältigt, dass er bemerkte, er sei bereit, die "Silver Clouds" von Andy Warhol, die in Pittsburgh im US-Staat Pennsylvania zu sehen sind, glatt zu vergessen. Und stattdessen sein ganzes Augenmerk in Zukunft auf die hellblauen Luftballons zu richten, die die Sprossen einer Leiter emporklettern, weil sie von kleinen, ferngesteuerten Propellern Auftrieb erhalten. Wouter Widdershoven, einer der beiden Erfinder dieser Luftballons, präsentierte sich auch beim Aufbau als gewitzter Kerl. Und damit als musterhafter Repräsentant seiner Heimatstadt Eindhoven, die durch den Elektro-Konzern Phillips und dessen Fußballclub internationalen Ruhm erlangte. Schon als Schüler hatte der Absolvent der renommierten "Design Academy Eindhoven" eigentlich Erfinder werden wollen. Seine Talente waren breitgefächert, bis heute ist er musikalisch, aber auch für Mathe schlug schon immer sein Herz. Weshalb er seine heutige Berufsauffassung als Mischung aus Gestalter und Ingenieur formuliert.
Und so baut er gemeinsam mit Castor Bours unter dem Gruppennamen "Toer" kleine, pfiffige Maschinen, die nicht nur Wind machen, sondern obendrein voll sind mit Überraschungen. Eine der Arbeiten können die Besucher selbst beeinflussen, indem sie durch ihr Bewegungsverhalten drei mit einer Kamera verbundene Module so steuern, dass sie von LEDs erleuchtet an einem Drahtseil unvermittelt nach oben schießen. Am eindrucksvollsten freilich ist "Wade in Air": Ventilatoren versetzen einen dunklen Gaze-Vorhang in Bewegung und lassen so rote Laserlinien, die ihrerseits mit einem elektronischen Keyboard in Reihe geschaltet sind, zauberhafte Klavierklänge erzeugen. Da macht der Wind die Musik und lässt den Besucher durch die Luft waten. Was weder lächerlich noch kitschig ist, sondern von fantastischer Schönheit.
Das Wesen hinter den Dingen
Viel rauer dagegen, aber nicht weniger vom Ideenkosmos der Poesie getragen, sind die von himmlischen Wolkenformationen inspirierten Arbeiten des in Nürnberg ansässigen Matthias Loebermann. Seine Arbeiten sind oben in kurfürstlichen hauskapelle zu sehen. Der hauptberufliche Architekt arbeitet mit "Eisengrund", einer Dispersionsfarbe, die metallische Pigmente enthält. Beginnen diese zu oxidieren, überziehen sie die Mal-Oberflächen mit feinen Korrosionsschleiern.
Das erinnert in seiner Ausdruckskraft an das historische Heliogravüre-Verfahren, das für seine hochdifferenzierten optischen Halbtonwiedergaben Berühmtheit erlangte. Was dabei entsteht, ist zwar vordergründig abstrakt, vermittelt aber gleichzeitig eine kraftvolle optische Ahnung von Räumlichkeit und dramatischen Strukturen. Die Arbeiten des Mittfünfzigers verführen mit ihrer Reichhaltigkeit und eröffnen Blicke in nie gesehene Welten. So vermitteln sie eine Idee vom Wesen hinter den Dingen. Johanna Foitzik und ihre Gäste im Luftmuseum können also guten Mutes sein, weil sie künftig wieder Inspiration beziehen und Kraft tanken können.
Service
Beide Ausstellungen sind bis 26. Juli 2020 zu sehen. Mittlerweile ist es für Kleingruppen bis zu sieben Personen wieder möglich, Führungen zu buchen.
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