Amberg
04.10.2019 - 11:36 Uhr

Die Redaktion spielt da nicht mit

Das gab es schon immer: dass Betroffene einer Berichterstattung noch vor der Veröffentlichung lesen wollen, was über sie geschrieben wird. Nun scheint der Versuch der Vorzensur aber in Mode zu kommen.

Das Verhältnis der AZ/SRZ-Redaktion zu den „Wetterfröschen“ der Bundeswehr ist zuletzt etwas abgekühlt. Symbolbild: Matthias Bein/dpa
Das Verhältnis der AZ/SRZ-Redaktion zu den „Wetterfröschen“ der Bundeswehr ist zuletzt etwas abgekühlt.

Die Lokalredaktion der Amberger/Sulzbach-Rosenberger Zeitung wollte kürzlich über den Aerologischen Messzug der Bundeswehr berichten. Er ist in der Gärmersdorfer Schweppermannkaserne zu Hause und "für uns ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es um Wetter-Themen geht", wie AZ/SRZ-Chef Uli Piehler erläutert: "Oft fragen wir dort zum Beispiel nach, wie heiß oder kalt es bei extremen Wetterlagen in Amberg war. In der Vergangenheit hat das mit einem kurzen Anruf auch immer gut geklappt."

Doch diesmal sollte es anders sein. Redakteurin Stephanie Wilcke hatte eine Reportage mit Video über die Arbeit des Messzuges geplant und eine entsprechende Anfrage an ihn gerichtet. Der Messzug gehört zum Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr in Euskirchen (Nordrhein-Westfalen). "Gern stehen wir für eine Berichterstattung zur Verfügung", antwortete der zuständige Presseoffizier, fügte aber abschließend hinzu: "Vor Veröffentlichung bitte ich um Zusendung des Entwurfs, damit der Beitrag fachlich mitgeprüft und durch meinen Kommandeur gebilligt werden kann."

Ein Presseoffizier in Euskirchen und dessen Dienstvorgesetzter machen die Veröffentlichung eines Artikels von ihrem "Segen" abhängig - für die AZ/SRZ-Redaktion war das nicht akzeptabel. Sie sah von dem Projekt ab. Desk-Chef Uli Piehler beklagte in diesem Zusammenhang: "Es ist halt generell ein Trend - sowohl bei Behörden, wie auch bei Firmen - zur Vorab-Kontrolle der Medien feststellbar. Kommt man dem Verlangen auf Gegenlesen nicht nach, bekommt man gar keine Auskunft oder wird auf die Wischiwaschi-Texte verwiesen, die sowieso schon auf der Homepage stehen."

Um es an dieser Stelle einmal deutlich zu sagen: Mit Ausnahme von Wortlaut-Interviews geben wir grundsätzlich keine Texte vor Veröffentlichung an Recherche- oder Gesprächspartner weiter. Legt bei einem wörtlichen Zitat der Gesprächspartner Wert auf die persönliche Freigabe, so kommen wir diesem Wunsch nach. Bei komplexen und komplizierten Themen, beispielsweise aus der Wissenschaft oder Forschung, können Passagen des Textes zu einer faktischen Überprüfung weitergegeben werden.

Die Forderung der Bundeswehr, mit der die AZ/SRZ-Redaktion konfrontiert wurde, ist für mich Vorzensur und nicht hinnehmbar. Gut, dass die Kollegen das verweigert haben. In meiner Auffassung bestätigt hat mich Anton Sahlender, Vorsitzender der Vereinigung der Medien-Ombudsleute (VDMO) und selbst erfahrener Leseranwalt, der viel über Presserecht weiß: "Wenn keine Staatsgeheimnisse, die die Sicherheit des Landes gefährden können, verraten werden, muss von der Bundeswehr geantwortet werden."

Ein Knackpunkt ist natürlich, dass die Bundeswehr eine Bundeseinrichtung ist. Das heißt laut Sahlender: "Die vom Bund sind mit der Auskunftspflicht, die in den Landespressegesetzen steht, schwer zu packen, verhalten sich meist sperrig, wie jüngst der Bundesnachrichtendienst. Aber es gibt mittlerweile eine Reihe von Urteilen, die auch Bundeseinrichtungen und -behörden zur Auskunft im Sinne des Grundgesetzes mit der Informationsfreiheit verpflichtet haben."

Hintergrund:

So steht's im Pressegesetz

Der Artikel 4 im Bayerischen Pressegesetz regelt das Auskunftsrecht:

(1) Die Presse hat gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Sie kann es nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben.

(2) Das Recht auf Auskunft kann nur gegenüber dem Behördenleiter und den von ihm Beauftragten geltend gemacht werden. Die Auskunft darf nur verweigert werden, soweit auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht.

Presserecht:

Informationsanspruch der Presse

„Staatliche Stellen sind verpflichtet, Vertretern der Medien alle Auskünfte zu erteilen, die zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Presse notwendig sind.“ Darauf weisen die Juristen der Initiative Tageszeitung (ITZ) in deren für jeden abrufbaren Online-Lexikon hin. Der Informationsanspruch der Presse sei in allen Landespressegesetzen verankert.

Zum Umfang und zur Durchsetzbarkeit des Auskunftsanspruchs schreibt die ITZ unter anderem: „Das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren, hat jeder Bürger (Art. 5 Abs. l Satz l GG). Die Medien benötigen aber gerade Informationen aus Quellen, die nicht für jedermann zugänglich sind. Das Presserecht privilegiert deshalb Journalisten gegenüber den normalen Bürgern. Gegenüber Bundesbehörden, die durch Landesgesetze nicht verpflichtet werden können, ergibt sich der Auskunftsanspruch direkt aus dem Grundrecht der Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG).

Für die meisten Behörden ist das selbstverständlich: Sie versorgen interessierte Journalisten regelmäßig mit Pressemitteilungen, antworten auf Pressekonferenzen und telefonisch auf Fragen. Eine gewisse Abwehrhaltung gegenüber recherchierenden Journalisten ist aber auch nicht selten – selbst Mitarbeiter von Pressestellen sind nicht frei davon, zumal wenn es um kritische Themen geht.

Der Auskunftsanspruch gilt uneingeschränkt. Ob die publizistische Linie des Mediums oder die Arbeitsweise eines Journalisten der auskunftspflichtigen Stelle gefällt oder nicht, darf keine Rolle spielen. Ein Ausschluss der sogenannten Sensationspresse wäre genauso unzulässig wie jede andere Selektion der Medien. Der Auskunftsanspruch richtet sich gegen alle Behörden des Bundes, der Länder und der einer Kommune, Gerichte und Staatsanwaltschaften, Parlamente und ihre Verwaltungen, privatrechtliche Organisationen, soweit sie staatliche Aufgaben wahrnehmen (z.B. Theater, Krankenhäuser, kommunale Energieversorger oder andere Unternehmen der Daseinsvorsorge).

Auskunftsanspruch hat der Journalist gegenüber der Behörde, nicht gegenüber jedem Bediensteten der Behörde. Auskünfte muss nur der Behördenleiter oder derjenige geben, den der Behördenleiter damit beauftragt hat. Die Pressestelle genügt der Auskunftspflicht, wenn sie geforderte Informationen intern beschafft und zur Verfügung stellt. Zum zuständigen Referenten oder Sachbearbeiter durchzustellen, ist zwar weit verbreitete Praxis – einfordern kann der Journalist das aber nicht.

Der Informationsanspruch beschränkt sich auf Auskünfte – das sind Tatsachen, die einer Behörde bekannt sind. Kein Journalist kann verlangen, dass die Behörden Vorgänge bewerten oder Kommentare abgeben. Daraus folgt: Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch, von Behördenleitern oder Politikern Interviews zu erhalten.

Gegenüber Privatleuten und nicht staatlichen Stellen einschließlich Unternehmen und Verbänden gibt es keinen gesetzlichen Auskunftsanspruch. Privatpersonen, Unternehmen oder Verbände sind auch nicht zu „pressefreundlichem Verhalten“ verpflichtet.

Privatleute oder Unternehmen dürfen, anders als staatliche Stellen, unliebsame Journalisten ausschließen, sie dürfen auch eine Exklusivvereinbarung über Informationen abschließen, die andere Medien von diesen Informationen ausschließt.“

 
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