Amberg
25.09.2019 - 16:19 Uhr

Zurück zur menschlichen Basis

„Es gibt Urbilder, die wir in uns tragen“, so erklärt Künstler Abi Shek seine Holzschnitte von schwarzen Tiersilhouetten. Seine Werke begleiten die komplette neue Spielzeit des Stadttheaters Amberg als Ausstellung im Foyer.

Zur Einführung in das Werk ihres Ehemannes zitierte Katja Ritter (links) aus einem Vortrag der Museumsdirektorin Dr. Veronika Mertens. Ambergs Oberbürger Michael Cerny und Kulturamtsleiter Reiner Volkert (Mitte, von links) hören zu vor einer der großen Vogelsilhouetten Sheks. Bild: inl
Zur Einführung in das Werk ihres Ehemannes zitierte Katja Ritter (links) aus einem Vortrag der Museumsdirektorin Dr. Veronika Mertens. Ambergs Oberbürger Michael Cerny und Kulturamtsleiter Reiner Volkert (Mitte, von links) hören zu vor einer der großen Vogelsilhouetten Sheks.

„Im Zeichen der Rinder, Vögel und Katzen“ lautet der Titel der neuen Ausstellung im Foyer des Stadttheaters Amberg. Über die gesamte Theater- und Konzertsaison 2019/2020 sind dort Werke des in Stuttgart lebenden Künstlers Abi Shek zu sehen.

Monumentale Tiersilhouetten

Schwarze Silhouetten von Vögeln und einem Rind, größer als ein Mensch, zieren nun die langen Seitwände im Foyer des Stadttheaters. Gerade wegen ihrer bewussten Reduzierung auf eine schemen- und schattenhafte Gestalt haben die metergroßen schwarzen Tierfiguren vor dem Hintergrund der weißen Leinwand eine große Wirkung auf den Betrachter. In ihrer Einführung zum Werk ihres Ehemanns Shek beschreibt Katja Ritter diesen Effekt so: „Die Tiere sind – so paradox es erscheint – gerade durch die Reduktion auf ihre Schattenbilder in besonderer Weise präsent“ Zwischen der Leere der weißen Leinwand und dem schwarzen Schattenbild entfalte sich ein „Augenblick intensiver Anwesenheit im Raum“, analysiert Ritter und zitiert dabei einen Vortrag von Veronika Mertens, Direktorin des Kunstmuseums in Albstadt. Abi Shek bestätigt diese Ansicht auf der Vernissage in Amberg: „Es geht um eine Verdichtung auf das Wesentliche. Ich möchte mit so wenig, wie nötig ist, so viel wie möglich ausdrücken“, beschreibt Shek den Reiz der von ihm verwendeten Holzschnitt-Technik.

Dieser Arbeitsweise sei er bereits in seiner Jugend im Kibbuz Beit Nir im ländlichen Israel begegnet, führt Ritter aus. Ausschlaggebend für Sheks Kunststudium in Deutschland und für seine Holzschnitte seien einerseits die große Tradition dieser Technik in Deutschland gewesen, mit Meistern wie Albrecht Dürer, andererseits die Arbeit der Avantgarde-Künstler der „Brücke“, insbesondere deren Holzschnitte im Ausstellungskatalog von 1910. Ritter erklärt weiter, dass Shek diese Inspirationen mit persönlichen Erlebnissen, wie den Rinderherden im ländlichen Israel und Elementen der Kulturen des Nahen Ostens verknüpft. Eine bedeutende Anregung seien auch die Höhlen gewesen, die Shek in seiner Kindheit in Beit Nir mit der Taschenlampe in der Hand durchklettert habe, arbeitet Ritter heraus und zieht Vergleiche von Sheks Kunst zu den Höhlenmalereien in Lascaux.

Shek selbst ist dieses Ursprüngliche wichtig: „Es gibt Urbilder, die wir in uns tragen. Kinder aus den unterschiedlichsten Kulturen malen die gleichen Motive und Tiere in gleichen Formen, erst später kommt die kulturelle Prägung. Die Basis, das ist das, was mich interessiert“ erklärt Shek. Ähnlich wie in Fabeln seien die Tiersilhouetten so ein Mittel, um universelle Seelenzustände auszudrücken „Hier ist es eher Angst, hier ist es Freude“, erklärt der Künstler, als er auf verschiedene Vogelfiguren im Foyer zeigt. Die Anordnung der Bilder hat Shek dem ursprünglich kirchlichen Bau des Stadttheaters angepasst und seine großformatigen Holzschnitte so aufgehängt, dass die Tierfiguren in einen Dialog miteinander treten.

Ihre Einführung in das Werk von Abi Shek umrahmte Katja Ritter mit zwei Gedichten von Rose Ausländer. Zum Gedicht "Körper" schuf Shek eine Illustration. Bild: inl
Ihre Einführung in das Werk von Abi Shek umrahmte Katja Ritter mit zwei Gedichten von Rose Ausländer. Zum Gedicht "Körper" schuf Shek eine Illustration.

Verbindung von Kulturen

Künstler Abi Shek, dessen Frau Katja Ritter und Ambergs Oberbürgermeister Michael Cerny (von links) eröffneten im Dreiklang die Ausstellung. Bild: inl
Künstler Abi Shek, dessen Frau Katja Ritter und Ambergs Oberbürgermeister Michael Cerny (von links) eröffneten im Dreiklang die Ausstellung.

Die zwei Werke über dem Eingang zur Loge und gegenüber, an der gerundeten Wand der ehemaligen Klosterkirche heben sich von den restlichen Werken ab. Auf der halbrunden Hinterwand des Foyers hat Abi Shek das neueste Bild der Ausstellung positioniert und bei diesem auch blaue Farbe eingearbeitet. „Holzschnitt und Farbe sind zwei Elemente in ihrer Eigentlichkeit, die aber auf dem Bild etwas Neues schaffen, wie bei einem musikalischen Kontrapunkt“, beschreibt Shek.

Schließlich prangt über dem Eingang zur Loge des Stadttheaters eine Metallinstallation, die Abi Shek 2009 in der Wartberg-Kirche in Heilbronn ausgestellt hatte. Auf zwei Löwen an den Seiten eines stilisierten Thora-Schreins stehen in hebräischer Schrift die Segenswünsche für Brot und Wein beim jüdischen Pessachfest. „Ostern und das Pessachfest liegen sehr nahe beieinander und die Segnung von Brot und Wein wird bis heute in der christlichen Liturgie praktiziert“ erklärt Katja Ritter.

Auch im Foyer des Stadttheaters Amberg vermittelt die Installation im Raum einer ehemaligen Klosterkirche somit die Botschaft der Verbindung von Kulturen und Religionen. Diese Verbindung setzten auch Leif Wiesmeth und Lisa Milyukova als „Duett Druzhba“ bei der musikalischen Gestaltung der Vernissage um. Mit Gesang, Piano und Percussion begleiteten sie die Ausstellungseröffnung mit einem mal melancholischen, mal beschwingten Mix aus jiddischer Musik, Tango, Rock und Jazz-Standards.

Über die komplette Spielzeit des Stadttheaters bis zum 29. Juli 2020 sind Abi Sheks Tiersilhouetten im Foyer zu sehen. Besucher können seine Werke jeweils ab einer Stunde vor Veranstaltungsbeginn besichtigen.

Lisa Milyukova singt während der Eröffnung der Vernissage den jiddischen Tango "ikh hob dikh tsufil lib" von Alexander Olschanetzky und Chaim Tauber. Bild: inl
Lisa Milyukova singt während der Eröffnung der Vernissage den jiddischen Tango "ikh hob dikh tsufil lib" von Alexander Olschanetzky und Chaim Tauber.
 
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