Deutschland und die Welt
29.01.2020 - 09:43 Uhr

Die Bundeswehr ist marode. Ihre Transformation erfordert mehr als Geld.

Der Bericht des Wehrbeauftragten zeigt: Die Bundeswehr ist nach wie vor marode, ihre Einsatzbereitschaft eingeschränkt. Doch immerhin, ein Kurswechsel ist eingeleitet. Der Wiederaufbau der Truppe braucht jetzt Beständigkeit – und Rückhalt.

Kommentar von Tobias Gräf
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, deckt die Mängel der Bundeswehr schonungslos auf. Er sieht aber auch Grund für Hoffnung. Bild: Wolfgang Kumm
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, deckt die Mängel der Bundeswehr schonungslos auf. Er sieht aber auch Grund für Hoffnung.

Nach der Präsentation des 61. Jahresberichts des Wehrbeauftragten durch Hans-Peter Bartels lässt sich an dieser Stelle aktuell daraus zitieren. Das Durchschnittsalter der Bundeswehr ist gestiegen, die Zahl der Neurekrutierungen liegt auf dem zweitniedrigsten Stand seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011, der Ausrüstungsstand ist nach wie vor in höchstem Maße defizitär. Noch nicht einmal jeder einzelne der knapp 184 000 Soldaten hat eine vollständige persönliche Ausrüstung. Allein das - ein Skandal. Von Mängeln bei den großen Waffensystemen wie Panzern, Hubschraubern und der fehlenden Einsatzbereitschaft der Marine ganz zu schweigen.

Diese Missstände sind jedoch weitgehend bekannt, sie haben bei der gestrigen Vorstellung des Berichts lediglich eine Aktualisierung erfahren – mit dem Ergebnis, dass nach wie vor viel getan werden muss. Doch im üblichen Entsetzen über die bedingte Einsatzbereitschaft der Bundeswehr geht gerne unter, dass der Ton des Wehrbeauftragten auch milder geworden ist. Während Bartels Bericht in den vergangenen Jahren geradezu einer Generalabrechnung mit dem Verteidigungsministerium glich, gesteht der "Anwalt der Soldaten" dem Bendlerblock zu, immerhin reagiert und gegengesteuert zu haben.

Die von der früheren Ressortchefin Ursula von der Leyen eingeleiteten und ihrer Amtsnachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer fortgeführten "Trendwenden" sind unvollständig, aber die Richtung stimmt. Das Verteidigungsbudget ist – natürlich auch mit kräftiger Schützenhilfe durch Trump – gewachsen und beim Personalkörper ist ein überfälliger Wiederaufwuchs auf mehr als 200 000 Mann vorgesehen.

Dass der Weg zurück zur politisch postulierten Vollausstattung noch ein langer sein wird, ist wohl jedem bewusst. Doch wer die Truppe mit internationalen Einsatzszenarien mehr fordert als je, muss ihr auch die nötigen Mittel und Anerkennung gewähren. Diesen politischen Rückhalt hat die aus "Staatsbürger in Uniform" bestehende Parlamentsarmee besonders von den Bundestagsabgeordneten verdient – und zwar aus allen Fraktionen.

 
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A. Schmigoner

Eine Armee, die bei den Militärausgaben unter den Top 10 weltweit liegt, schafft es nicht, seine Panzer, Flugzeuge und Schiffe einsatzbereit zu halten? Was läuft da schief?
Militärexperten sehen die vielen Auslandseinsätze und falsche Weichenstellungen der Verteidigungsminister(in) als Ursachen. Zuvor waren die Panzer der Bundeswehr radikal abgebaut worden, weil nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion angeblich keine Bedrohung aus dem Osten drohte. Eine mobile Armee für den weltweiten Einsatz war nun gefragt. Material und Personal werden im Ausland außerordentlich beansprucht. Die Bundeswehr ist momentan in elf Ländern an Auslandseinsätzen beteiligt. Insgesamt 385 000 Männer und Frauen hat Deutschland seit 1992 in den Auslandseinsatz für die Bundeswehr geschickt. Ursula von der Leyen plädierte indessen munter weiter für noch mehr Auslandseinsätze, trotz dünner Personaldecke. „Deutschland will, und kann mehr Verantwortung übernehmen“. Jetzt die erneute Wende hin zu einer Panzerarmee. Dabei gingen die Probleme unter von der Leyen munter weiter (Beschaffungspannen, Beraterverträge, Klüngel beim Korvettenkauf, Drohnenbeschaffung, Sex-Party beim KSK mit Hitlergruß). Die von Korruption durchsetzte Beschaffungsbehörde der Bundeswehr wurde weitgehend durch eine korrupte Beraterarmee ersetzt. Trauriger Höhepunkt: Es wurde sogar ein Berater engagiert, der die Innenarchitekten bei der Ausstattung einer Soldatenbude beraten hat. In allen Kasernen in Deutschland!
Von der Leyen weihte lieber Kindergärten in den Kasernen ein und setzte die Europäische Arbeitszeitrichtlinie in der Truppe durch (max. 41 statt 46 Wochenstunden). Mit der Folge, dass die Marine und das Heer an einigen Nato-Übungen nicht mehr teilnehmen konnten! Zu viele Überstunden! „Wenn die Marinesoldaten ihre Überstunden nicht ausbezahlt bekommen, sondern abbummeln müssen, kann die Marine von Herbst an ihre Schiffe nicht mehr bemannen“, erklärt ein Offizier. Von der Leyen lies die Kasernen aufwendig umbauen mit Wlan, Einzelzimmer und Flachbildschirmen. Für die Kampftruppen sind diese Annehmlichkeiten kontraproduktiv, meint der Bundeswehrverband, wenn sich die Soldaten die Splitterschutzwesten selber kaufen müssen, weil die Haltbarkeitsdaten abgelaufen sind.
Und schließlich hat KT zu Guttenberg einst entschieden, dass die Bundeswehr keine eigene Lagerhaltung mehr betreibt für Ersatzteile an Wehrgütern. Neben Korruption wird diese Entscheidung inzwischen als Hauptgrund gesehen, warum unsere Panzer nicht fahren, unsere Hubschrauber und Flugzeuge nicht fliegen, und unsere Schiffe nicht schwimmen.

30.01.2020
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