23.09.2019 - 17:12 Uhr

Charme, Intimität und bezaubernde Romanzen

Von der Spätromantik bis zur Moderne: Max-Reger-Tage mit charmanten "Bearbeitungen" im Bayernwerk

Bearbeitungen für (von rechts) Gesang (Juytyna Ilnicka), Klarinette (Gabor Lieli) und Harfe (Katharina Teufel-Lieli) begeisterten beim Kammermusikabend der Max-Reger-Tage im Bayernwerk Netz Weiden. Bild: Franz Lahm
Bearbeitungen für (von rechts) Gesang (Juytyna Ilnicka), Klarinette (Gabor Lieli) und Harfe (Katharina Teufel-Lieli) begeisterten beim Kammermusikabend der Max-Reger-Tage im Bayernwerk Netz Weiden.

Furios gelingt am Freitag der Max-Reger-Tage-Auftakt beim Bayernwerk durch den ungarischen Klarinettisten Gabor Lieli mit Katharina Teufel-Lieli (Harfe). Bei den sechs rumänischen Tänzen von Bela Bartok begeisterte der Klarinettist mit vielen Stimmungen. Besonders die letzten stürmischen Tänze mit ihren brillant gespielten Läufen und Akkordbrechungen rissen die Zuhörer mit.

Schubert steht stilistisch an der Schwelle zwischen Wiener Klassik und der Romantik. Seinem Wiegenlied, Deutschverzeichnis 498, stellt die junge polnische Sopranistin Justyna Ilnicka spätromatische Wiegenlieder von Richard Strauss und Max Reger gegenüber. Von Lied zu Lied steigert sie sich, ihre Bögen werden immer länger, immer mehr beherrscht sie die Akustik des Raums und traut sich in einigen Stellen leisesten Gesang zu. Der perlende Harfenpart bei Strauss und der Wechsel von homophonen Passagen zur Polyphonie bei Reger faszinieren.

Das Konzert trägt den Titel "Bearbeitungen". Alle Stücke hat die Harfenistin selbst bearbeitet. Sie nahm sich die Klavierstimmen vor, legte sich diese mittels durchdachter Reduzierung für ihr Instrument so zurecht, dass man an keiner Stelle ein Klavier vermisst. Das Ergebnis ist mehr Klarheit und Durchhörbarkeit bei der Wiedergabe. Die Musik gewinnt durch Einsatz der Harfe an Charme und kammermusikalischer Intimität.

Bedeutender Geiger

Louis Spohr zählt zu den heute fast vergessenen Meistern der musikalischen Romantik. Der Norddeutsche gilt neben Paganini als bedeutendster Geiger in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nach Studium der Technik und Möglichkeiten des Harfenspiels schrieb Spohr einige der bedeutendsten Harfenwerke der Musikgeschichte, unter anderem die Fantasie in c-Moll. In diesem Werk kehrt Spohr von freier Fantasie immer wieder zu sonatenmäßigen Passagen zurück. Katharina Teufel-Lieli, Harfenistin des Mozarteumorchesters Salzburg, beherrscht ihr prächtiges Instrument beeindruckend und interpretiert die große, von Schwärmen in sanfter Wehmut gekennzeichnete Komposition packend. Sie entwickelt raumfüllenden Klang, ebenso wie zurück genommene Pianissimo-Passagen.

Weit über die Tonsatzgrenzen der Romantik hinaus komponiert der Schweizer Othmar Schoeck, ehemals Student in Regers Meisterklasse. Sein Lied Nachklang, op. 30/7 für Sopran und Klavier und das deutlich an Regers Klarinettenwerke erinnernde Andante für Klarinette und Klavier zeigen eine eigenständige Tonsprache. Die Künstler veranschaulichen diese Haltung kompetent.

In den Duetten Regers op. 14 für Sopran, Alt und Klavier (hier Harfe) erreicht die Klarinette fast die Variabilität und Wärme einer tiefen Frauenstimme. Nie übertönt sie die sicher und stilvoll singende Justyna Ilnicka. Die Interpretation in dieser Besetzung vermittelt sogar eine bessere Verständlichkeit der Texte. Mit "Nachts", "Abendlied" und "Sommernacht" zeichnet Reger perfekt romantische Stimmungen nach, die Musiker bringen dies eindrucksvoll über die Bühne. Die Zuhörer folgen sehr gespannt und in andächtiger Stille, so dass sie Regers Beschreibung der in Gold glänzenden Sterne, das "Schweigen des armen Menschen" und die Ruhe "über allen Dächern und Wipfeln" intensiv genießen können.

Hochvirtuose Passagen

Nach der Pause rütteln sehr lebhafte und hochvirtuose Passagen in Eugen Bozzas Fantasie Italienne (1938), einem Bravourstück für Klarinette und Klavier (hier Harfe), auf. Richard Strauss fordert die Sopranistin in seinem "Ständchen, op. 17/2" und dem Lied "Ich wollt ein Sträußchen binden" heraus, den bisherigen rein lyrischen Klang hin zu größerer Stimme zu öffnen. Gerade im letzten Lied verlangt er gute Koloraturtechnik in hoher Stimmlage und wünscht sich andererseits Kontraste in meditativer Ruhe. Beiden Interpreten gelingt das vorzüglich.

Im Gegensatz zu den etwas plakativ gehaltenen Vertonungen eines Richard Strauss' wirken Regers Volkslied ("Ein Vöglein singt") und "Waldeinsamkeit", op. 76/3 durch Innigkeit und Zärtlichkeit eindringlicher. Die Waldumgebung hatte Reger immer inspiriert.

Homogenes Ensemble

Den Reger-Block beenden Klarinette und Harfe mit dem Albumblatt und einer bezaubernden Romanze, die ursprünglich für Violine und Klavier geschaffen wurde. Ein zeitgenössisches Albumblatt von Michele Mangani (*1966) lockerte zwischendurch auf. Diese Komposition für Klarinette erinnert an Musik sinfonischer Blasorchester oder auch Filmmusik mit Momenten italienischer Folklore. Den Abschluss bildet Franz Schuberts "Der Hirt auf dem Felsen". Der Klang der Harfe ist mit dem der Gitarre verwandt. Sängerin und Klarinettist verbinden sich mit der Harfenistin zu einem homogen musizierenden, sensiblen Ensemble.

Auch bei der Zugabe, einem Wiegenlied von Robert Schumann, vermitteln die Künstler perfekt, so dass Text und Musik tief auf die musikalisch gut aufnahmefähige Zuhörerschaft wirkt. "Schlaf ... Schlaf" am Ende dieses Liedes hindern die Musiker nicht daran, unmittelbar nach dem Konzert zurück nach Salzburg zu reisen.

 
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