München
28.11.2018 - 14:27 Uhr

Desdemona als strahlendes Zentrum

Verdis "Otello" an der Münchner Staatsoper glänzt in erster Linie durch Anja Harteros und Kirill Petrenko

In der minimalistischen Inszenierung kommen Sänger und innere Figurendramaturgie bestens zur Wirkung. In den Hauptrollen Anja Hateros (Desdemona) und Jonas Kaufmann (Otello). Bild: Winfried Hösl
In der minimalistischen Inszenierung kommen Sänger und innere Figurendramaturgie bestens zur Wirkung. In den Hauptrollen Anja Hateros (Desdemona) und Jonas Kaufmann (Otello).

Mit einem wahrlichen Donnerschlag beginnt Verdis "Otello" in der Münchner Staatsoper. Dem Unwetter folgt der Donner der "Vittoria"-Tutti. Kirill Petrenko lässt Orchester, Chor und Sänger so im Fortissimo erbeben und findet nicht nur im letzten Akt die berührenden Momente im Pianissimo. Das sind die Eckpfeiler dieser großartigen "Otello"-Interpretation an der Münchner Staatsoper, die allerdings besser "Desdemona" heißen sollte. Sie ist das Opfer, nicht Otello.

Anja Harteros überstrahlt mit kraftvollem, lyrischen Sopran selbst die temperamentvollsten Tutti mit Chor und ihrer Bühnenpräsenz im blendend weißen Kleid, das gesamte Ensemble. Sie ist unter Amélie Niemeyers Regie die große Lady, die ihre Liebe zu leben wagt, eine reine Madonna, die intuitiv, geradlinig und emanzipiert unterstützt, was Rechtens ist. Beharrlich mischt sie sich in Otellos Personalpolitik ein.

Cassio soll in Amt und Ehre bleiben, wie er es verdient. Doch in ihrer Unschuld durchschaut sie die Intrige Jagos genauso wenig wie Otello. Indes gemahnt ihr schwarz glänzender Hosenanzug schon an ihren Untergang.

Die Bühne, ein großer Raum aus der Belle Epoque, durch Stufe und subtile Lichtregie zweigeteilt, ermöglicht eine spannende Simultaneität von äußerem und innerem Geschehen, Distanz und Nähe, Glanz- und Schattenwelten (Bühne Christian Schmidt, Licht Olaf Werner.) Extrem minimalistisch ausgelegt, auf Gesang und Musik fokussiert, entstehen eindringliche Szenen, wenn Desdemona das Einheitsgrau der Inszenierung durchfunkelt, der Blumendank des Kinderchores zwischen Traumhochzeit und Begräbnis Desdemonas oszilliert, sich der Raum um sie herum als surreale Splitterung ihres Bewusstseins dreht (Video Philipp Baterau), die naturalistische Erwürgungsszene zum dramaturgischen Höhepunkt avanciert. Weniger überzeugt die Welt der Männer. Jago, mit Gerlad Finley, Otello mit Jonas Kaufmann stimmlich und darstellerisch hochkarätig besetzt und bestens in Form, bleiben dennoch im Schatten Anja Harteros. Otello mit Hosenträgern, Jago im T-Shirt degradieren zu biederen Bürokraten ohne Chance, Amélie Niermeyers Konzept latenter Migrationsthematik zu offerieren (Kostüme Annelies Vanlaere). Glanzpunkte in den kleinen Partien sind Evan LeRoy Johnson als smarter Cassio und Rachael Wilson als Emilia. Das Publikum jubelt zurecht.

 
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