Deutschland und die Welt
12.01.2024 - 09:05 Uhr

So mancher hat inzwischen einen "Schlagzeilen-Burnout"

Frieden in der Ukraine, kein Nahostkonflikt mehr: Das wären mal positive Nachrichten. Doch der Medienalltag ist beherrscht von negativen. Was bei manchen Menschen inzwischen zur Nachrichtenvermeidung führt.

Das Wort des Jahres 2023 war „Krisenmodus“, gekürt von der Gesellschaft für deutsche Sprache. Viele Menschen wollen aber nichts mehr hören, sehen und lesen von Krisen. Bild: Julian Stratenschulte, dpa
Das Wort des Jahres 2023 war „Krisenmodus“, gekürt von der Gesellschaft für deutsche Sprache. Viele Menschen wollen aber nichts mehr hören, sehen und lesen von Krisen.

Das Interesse an Nachrichten ist im vergangenen Jahr weiter gesunken: Nur noch 52 Prozent der erwachsenen Internetnutzer in Deutschland sagen, dass sie äußerst oder sehr an Nachrichten interessiert seien (2022: 57 Prozent). Die Tendenz zur Nachrichtenvermeidung war ebenso hoch wie 2022. So lauten zwei Ergebnisse des Reuters Institute Digital News Report 2023, dessen deutsche Teilstudie das Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg durchführte. Insgesamt basiert die Studie auf 93 895 Befragten aus 46 Ländern auf sechs Kontinenten.

„Die Tendenz zur Nachrichtenvermeidung bleibt stabil, nachdem es in den vergangenen Jahren zu deutlichen Anstiegen gekommen war“, berichtet das Leibniz-Institut. Wie bereits im Vorjahr habe 2023 jeder zehnte Internetnutzer ab 18 Jahren oftmals aktiv versucht, die Nachrichten zu vermeiden, 65 Prozent hätten dies mindestens gelegentlich getan. Eine MDR-Journalistin sprach in diesem Zusammenhang vom „Schlagzeilen-Burnout“.

Ukraine-Krieg an erster Stelle

29 Prozent derjenigen, die zumindest gelegentlich Nachrichten vermeiden, gehen der Studie zufolge gezielt bestimmten Themen aus dem Weg. Nicht verwunderlich: Am häufigsten werden demnach Nachrichten zum Ukraine-Krieg gemieden, gefolgt von Nachrichten zum Thema Unterhaltung beziehungsweise zu Prominenten, Gesundheit und Sport. Während ältere Befragte ab 55 Jahren laut Leibniz-Institut etwas häufiger angeben, dass sie mit Absicht bestimmten Nachrichtenthemen ausweichen, greifen 18- bis 24-Jährige in der Tendenz grundsätzlich seltener auf Nachrichten zu - oder sie bevorzugen Aktivitäten, die nichts mit Nachrichten zu tun haben.

Das sollte Medienschaffenden dann doch zu denken geben: "Gleichzeitig ist mehr als die Hälfte (58 Prozent) der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland äußerst oder sehr an positiven Nachrichten interessiert. Ein ebenfalls hohes Interesse wird an Nachrichten geäußert, die Lösungen vorschlagen, anstatt nur auf Probleme hinzuweisen (53 Prozent), sowie an Nachrichten, die dabei helfen, komplexe Themen zu verstehen (50 Prozent)", teilt das Leibniz-Institut mit.

Auch viele Leser von Oberpfalz-Medien wünschen sich mehr positive Nachrichten. So erinnere ich mich zum Beispiel an eine Ambergerin, die mir schrieb, ihr sei aufgefallen, dass vor allem "im ersten Zeitungsteil sehr häufig negative Berichte erscheinen. Unfälle, Gewalttaten und Ähnliches, selbst wenn sie weit weg geschehen sind, schaffen es wesentlich öfter auf diese Seiten als erfreuliche und aufbauende Meldungen. Vielleicht stimmt es wirklich, dass Menschen sich eher für das Schlechte interessieren." Die Leserin regte damals an, die Redaktion möge doch "bewusst neue Wege gehen". Der Dame schwebte "eine kleine Spalte" vor, "in der gezielt jeden Tag eine positive Meldung oder ein kurzer Bericht über einen Menschen, eine Organisation oder ein Geschehen Platz findet, die einen positiven und erneuernden Einfluss auf die Welt haben. Dazu gibt es so viele Beispiele aus allen Ländern, die meiner Meinung nach genauso zu einer ausgewogenen Berichterstattung gehören und beim Lesen ein angenehmes Gefühl hinterlassen."

Täglich "Die gute Nachricht"

Täglich eine kleine Spalte mit einer positiven Meldung - aus der Idee ist inzwischen ein fester Bestandteil dieser Zeitung geworden. Seit Dezember 2022 gibt es täglich "Die gute Nachricht" auf der ersten Seite, oft mit lokalem Bezug. Die meisten Leser, so meine Erfahrung, finden diese Rubrik ganz in Ordnung, manchmal klingt auch etwas Kritik durch, wenn "Die gute Nachricht" als etwas zu banal empfunden wird. Aber so etwas liegt ja bekanntlich immer im Auge des Betrachters. Und eines hat die Redaktion in jetzt mehr als einem Jahr festgestellt: "Die gute Nachricht" ist manchmal gar nicht so leicht zu finden ...

Hintergrund:

Informationen zur Studie

  • Seit 2012 untersucht der Reuters Institute Digital News Survey jährlich über Repräsentativbefragungen in mittlerweile 46 Ländern generelle Trends und nationale Besonderheiten der Nachrichtennutzung. Welche Arten von Nachrichten sind von Interesse? Welche Wege werden genutzt, um diese zu finden? Welchen Anbietern wird vertraut? Welche Standpunkte vertreten Menschen hinsichtlich der Nachrichtenmedien?
  • Das Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut ist seit 2013 als Kooperationspartner für die deutsche Teilstudie verantwortlich. Die Erhebung im Jahr 2023 wurde von den Landesmedienanstalten und dem ZDF unterstützt.
 
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