Nirgendwo sonst in Tschechien ist die Lage auf den Intensivstationen der Krankenhäuser derzeit so dramatisch wie in Eger (Cheb). Tschechischen Medienberichten zufolge reichen in dem westböhmischen Krankenhaus die Kapazitäten nicht mehr aus, um alle Covid-19-Patienten intensivmedizinisch zu behandeln. Auch andere Stationen des Egerer Krankenhauses seien bereits voll ausgelastet. Offensichtlich stehen die Ärzte dort unmittelbar vor der Situation der sogenannten Triage – also der Entscheidung, welche Patienten behandelt werden und welche nicht. Dies erklärte Dr. Stanislav Adamec, der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, in einem Interview.
Adamec ist einer von 1700 Unterzeichnern der Petition „Öffnet die Grenzen für Krankenwagen“, die am Wochenende der Regierung in Prag überstellt worden ist. Regionalpolitiker, Angehörige von medizinischen Berufen, Rechtsanwälte, Spitzensportler und viele namhafte Vertreter des öffentlichen Lebens appellieren an die tschechische Regierung, Covid-Intensivpatienten auch in den grenznahen Kliniken in Bayern und Sachsen behandeln zu lassen.
Bitte um Hilfe
Wie berichtet, haben die Regierungen der beiden Bundesländer Anfang Januar entsprechende Zusagen an Prag gemacht. Bislang will die tschechische Regierung von diesem Angebot keinen Gebrauch machen, solange es in anderen Regionen noch freie Intensiv-Betten gibt.
In der an Gesundheitsminister Jan Blatný gerichteten Petition schildern die Unterzeichner die dramatische Situation im Krankenhaus Eger. Demnach müssen bei der Notaufnahme Covid-19-Patienten mit extremer Atemnot bis zu fünf Stunden warten, bis jemand vom Krankenhaus-Personal Zeit hat, sich um die Neuzugänge zu kümmern. Auch in vielen anderen Teilen Tschechiens sei die Situation in den Krankenhäusern ernst.
Personal fehlt
Die Absender der Petition beklagen, dass die Regierung nicht in der Lage sei, die vom Militär vorbereiteten Feldkrankenhäuser zu eröffnen, weil es dafür nicht genügend medizinisches Personal gebe. In der vergangenen Woche habe sich die Karlsbader Regionalverwaltung über die Möglichkeiten für eine grenzüberschreitende Hilfe in Deutschland erkundigt. „Die Situation in Deutschland ist ebenfalls sehr schwierig, aber die deutsche Seite bietet immer noch Hilfe an“, heißt es in der Petition.
Für den Raum Eger, das geografisch an drei Seiten zu Deutschland grenze, sei dies ein Hoffnungsschimmer. Die Voraussetzung für eine grenzüberschreitende Patientenaufnahme sei ein offizieller Antrag der tschechischen Regierung an die deutsche Seite. „Es ist für uns unverständlich, warum sich die Regierung weigert, in dieser Situation Deutschland um Hilfe zu bitten“, kritisieren die Unterzeichner. Der aktuelle Notfall sei eine Situation, in der sich die EU-Staaten gegenseitig helfen und helfen lassen sollten.
Wie die Tageszeitung „Denik“ berichtet, liegen die tschechischen Kliniken mit noch freien Intensiv-Plätzen mehrere hundert Kilometer von Eger entfernt. So hätte man Betroffene zwar in die Region Vysočina (Böhmisch-Mährische Hochebene) verlegen können, doch an einzelnen Tagen fehle es an Transportmöglichkeiten. Zudem sei ein derart langer Transport für viele Intensiv-Patienten zu riskant.
Im landesweiten Vergleich gehen die Infektionszahlen in Tschechien nur langsam zurück. Derzeit liegt die Zahl der täglichen Neuinfektionen etwa halb so hoch im Vergleich zu Deutschland, das eine achtmal höhere Bevölkerung hat. Wie aus der Statistik hervorgeht, liegt der Kreis Eger mit einer Inzidenz von 1150 Infizierten auf 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen landesweit an dritter Stelle. Die höchsten Inzidenz-Werte verzeichnet man im Kreis Sokolov (Falkenau) mit 1244, gefolgt von Trutnov (Trautenau im Riesengebirge) mit 1215. Weitaus geringer, im Vergleich zu Deutschland aber immer noch sehr hoch, ist der Wert für Karlovy Vary (Karlsbad) mit 643.
Die tschechische Regierung hat in der vergangenen Woche die Corona-Maßnahmen noch einmal verschärft. Seit Samstag dürfen Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung nur noch aus triftigen Gründen einreisen. Fahrten nur zum Einkaufen nach Tschechien sind derzeit nicht erlaubt.
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