Der Pilot und viel Glück verhindern bei Absturz in Cheb wohl Schlimmeres

Eger (Cheb)
16.08.2022 - 18:14 Uhr
OnetzPlus

Bei einem Flugzeugabsturz während einer Flugshow stirbt in Cheb ein Mensch. Zwei Tage nach dem Unglück kommen immer mehr Details ans Tageslicht. Auch ein Weidener Augenzeuge trägt zur Aufklärung bei.

Ein Mensch ist tot - und doch muss man nach dem Flugzeugabsturz auf dem Flugfeld bei Cheb (Eger) vom Sonntag wohl von Glück im Unglück sprechen. Wenn man sich die Berichterstattung im Egerer Tagblatt (Chebsky Denik) ansieht und hört, was Augenzeugen und Experten sagen, dann hätte wohl alles noch schlimmer ausgehen können.

Dabei ist die Bilanz schon jetzt verheerend: Binnen weniger Sekunden verwandelte sich die fröhliche Flugshow in eine Tragödie: Gegen 15.32 Uhr fiel an diesem Sonntagnachmittag eine Hawker Hurricane Mk. IV vom Himmel und riss den Piloten mit in den Tod. Ein Frau am Boden trug zudem leichte Verletzungen davon.

Erfahrener Pilot

Die Pilot soll laut Egerer Tagblatt sehr erfahren gewesen und als Kampfpilot einst auf einer MiG-21 ausgebildet worden sein. Später flog er demnach aber auch große Linienmaschinen und war zuletzt als Fluglehrer beim Aeroclub in Roudnice nördlich von Prag beschäftigt. Auch mit dem alten britischen Jagdflugzeug soll der Mann gut vertraut gewesen sein - und konnte deshalb möglicherweise eine größere Tragödie verhindern.

Davon geht jedenfalls der Chefredakteur einer tschechischen Flugzeitschrift aus, der für das Egerer Tagblatt ein Video des Absturzes analysiert hat. Der Fachmann erkannte dabei eine Ausweichbewegung, mit der der Pilot in letzter Sekunde verhindert haben soll, dass die Maschine noch auf das Gelände des Flugfestes und somit auf einen Teil der rund 20 000 Besucher fiel, die am Sonntag nach Eger gekommen waren.

"Direkt über den Menschen"

Diese Schilderung passt zu der Beobachtung, die Bernhard Czichon vor Ort gemacht hat. Der freie Journalist und Hobbyfotograf aus Weiden war mit zehn weiteren Mitgliedern des Fotoclubs "Freie Fotografen Weiden" nach Cheb gereist, um bei der Flugshow zu fotografieren. "Ich hatte den Eindruck, dass die Maschine direkt über den Menschen runter kommt", beschreibt Czichon seinen ersten Eindruck.

Er und seine Fotografen-Freunde standen allerdings auf der entgegensetzten Seite des Flugfeldes und somit geschätzte zwei Kilometer vom Unfallort entfernt. Sie konnten sich daher nicht sicher sein, was sich auf der anderen Seite genau ereignet hatte. Czichon spricht zwei Tage nach dem Vorfall von einer Stimmung der Unsicherheit, die längere Zeit anhielt. "Es war plötzlich ganz still auf dem Gelände. Und diese Stille hat bestimmt fünf Minuten oder sogar noch länger gedauert."

Erst dann habe es eine Durchsage gegeben, dass die Show abgebrochen wird und die Besucher das Flugfeld in Ruhe verlassen sollen. Aber selbst zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Informationen zum Vorfall selbst. "Die Durchsagen waren auf Tschechisch." Zwar sei mit der Club-Präsidentin Zaneta Weidner auch eine tschechische Muttersprachlerin bei der Gruppe gewesen, dennoch habe es gedauert, bis wirklich klar war, welch Drama sich abgespielt hat. "Das ganze Ausmaß haben wir erst später erfasst, als wir die Nachrichten im Internet nachgelesen haben."

Zur Verwirrung hatte laut Czichon beigetragen, dass der Absturz keine Explosion oder ein lautes Geräusch verursacht hat. "Es war gar nicht so, wie man es sich vorstellt oder es im Fernsehen sieht." Tatsächlich erwies sich die ausbleibende Explosion als weiterer Glücksfall. Wie das Tagblatt schreibt, sei die Maschine nur wenige Meter neben einer Gas-Kontrollstation eingeschlagen. Bei einer Explosion des Flugzeugs hätte diese Station für eine wesentlich größere Katastrophe sorgen können, mutmaßen Augenzeugen laut Egerer Tagblatt.

Ermittlungen dauern

Keine belastbaren Erkenntnisse hatte es bis Montag zur Ursache des Unglücks gegeben. Laut tschechischer Polizei seien Spezialisten mit der Untersuchung beschäftigt. Wann ein Ergebnis fest steht, lasse sich nicht absehen. Ein abschließender Bericht zum Unglück werde wohl erst Anfang 2023 vorliegen. Auch mit Zwischenergebnissen sei wohl nicht vor Oktober zu rechnen. Unter anderem waren in den vergangenen beiden Tagen ein Hubschrauber und eine Drohne bei der Ursachensuche im Einsatz.

Beobachter sagten gegenüber dem Egerer Tagblatt, dass die Maschine am Sonntag anders geflogen sei als bei einem Testflug am Tag davor. "Es schien mir, als hätte der Motor keine Leistung mehr, die Maschine verlor an Geschwindigkeit, der Pilot versuchte im Sturzflug die Geschwindigkeit wiederzuerlangen, aber es gelang ihm nicht mehr." Inzwischen haben die Spezialisten den Unfallort frei gegeben, seither haben Trauernde dort Kerzen abgestellt.

Sehr gut organisiert

Laut Bernhard Czichon habe es aus seiner Sicht bei der gesamten Veranstaltung keinerlei Anzeichen für fehlende Sicherheit gegeben. "Wir waren schon am Vormittag vor Ort, um uns gute Plätze zu sichern", erzählt er. Auf ihn habe die gesamte Organisation einen sehr professionellen Eindruck gemacht. "Alles war gut abgesichert." Überall seien Ordner und Servicekräfte gewesen. "Ich hatte schon den Eindruck, dass großer Wert auf Sicherheit gelegt worden ist." Das habe auch für die Räumung des Geländes nach dem Abbruch gegolten. Alles sei gut organisiert und auf keinen Fall überhastet oder unüberlegt passiert.

Das betont der Veranstalter für den gesamten Einsatz der Rettungskräfte. "Die Aktion wurde in Übereinstimmung mit dem Notfallplan durchgeführt. Alle Rettungseinheiten waren vor Ort im Einsatz, um die Situation zu bewältigen", heißt es in einem Statement, in dem sich der Organisator ansonsten zurückhaltend gibt. Man wolle die Ergebnisse der Untersuchungen abwarten. Tatsächlich hatte die Feuerwehr von Cheb noch vor wenigen Wochen eine Großübung auf dem Flugfeld angesetzt. Bei dem Termin waren auch deutsche Einsatzkräfte, unter anderem die Feuerwehr aus Waldsassen, zur Teilnahme eingeladen. Das Szenario hatte damals gelautet: Bei einer Flugshow ist ein Flugzeug abgestürzt und hat dabei auch Zuschauer verletzt.

Der vergangene Sonntag schrammte nur knapp an dieser Horror-Vision vorbei. Dank einer großen Portion Glücks und eines guten Piloten, der wohl in den letzten Sekunden seines Lebens die Katastrophe für viele der Zuschauer verhindert hat.

Eger (Cheb)15.08.2022
Hintergrund:

Hawker Hurricane

Die Hawker Hurricane war ein britisches Jagdflugzeug aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, die bei Hawker Aircraft Ltd. konstruiert und gebaut wurde.

  • Das Unternehmen Hawker baute 1936 bis 1944 etwa 14 000 dieser Maschinen.
  • Bis Sonntag soll es noch 15 flugfähige Maschinen des Typs gegeben haben. Das abgestürzte Flugzeug soll das letzte der Baureihe IV gewesen sein.
  • Angetrieben wurde die Hawker Hurricane von 1300 PS-Motor.
  • Die Maschine galt als zuverlässig und stabil, stand aber immer im Schatten der berühmten Spitfire-Jagdflugzeuge.
Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
 
 

Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.