Ende der „Nachwende“-Zeit in Tschechien: Präsident Zeman geht

Prag
05.03.2023 - 14:37 Uhr
OnetzPlus

Der Präsident Miloš Zeman gehörte mit seinen Vorgängern Václav Havel und Václav Klaus zu den prägendsten Figuren seit 1989 in Tschechien. Doch auf der Prager Burg verschleuderte er zunehmend sein großes politisches Talent.

Präsident Miloš Zeman hat am Mittwoch seinen letzten Arbeitstag.

Ein kritischer Perestroika-Artikel in einer Fachzeitschrift machte den Prognostiker Miloš Zeman im August 1989 über Nacht berühmt. Schonungslos skizzierte der damals 44-Jährige den Niedergang der tschechoslowakischen Ökonomie. Im November 1989 wurde er wegen dieses Artikels, der ihn seinen Arbeitsplatz gekostet hatte, als einer der Redner auf der größten Demonstration der Prager gegen das bereits schwer strauchelnde Regime eingeladen. Vor einer Million Menschen rief er zum Generalstreik auf. „Der wäre die effektivste Investition in unserer Wirtschaftsgeschichte.“

Zemans Aufstieg

So begann Zemans Aufstieg in die große Politik. Er wurde in das erste „Nachwende“-Parlament kooptiert und machte sich daran, die ewig verbotene Sozialdemokratie aus dem Nichts wieder aufzubauen. Bei den vorzeitigen Wahlen 1998 führte er die sozialdemokratische ČSSD zum Sieg. Da er es entsprechend eines Parteitagsbeschlusses konsequent ablehnte, mit den Kommunisten zu koalieren, blieb ihm nur die Bildung einer Minderheitsregierung. Zeman schloss mit seinem schärfsten Gegner, dem Wirtschafts- und Finanzexperten Václav Klaus, ein umstrittenes Tolerierungsabkommen. Die beiden großen Rivalen teilten sich die Macht, was der jungen Demokratie nicht gut bekam. Der dritte Große in Prag - Präsident Václav Havel - musste tatenlos zusehen.

Schon im Wahlkampf 1996 präsentierte sich Zeman nicht nur als bemerkenswertes politisches Talent mit herausragenden rhetorischen Fähigkeiten, sondern zugleich als ein „Mann aus dem Volk“. Da erklärte er auch ganz unumwunden, dass er gern den Genüssen des Lebens zuneige. Einer seiner Lieblingssprüche lautete: "Tod den Abstinenzlern und Vegetariern!“ Seine Lebensweise hat Spuren hinterlassen. Zu seinem Diabetes kam eine Neuropathie, die ihn zum Schluss an den Rollstuhl fesselte. In der Covid-Zeit bangten seine Anhänger um sein Leben.

Kein gutes Verhältnis zu Deutschland

In seinem letzten Jahr als Premier sorgte Zeman für Verstimmung mit den deutschen Nachbarn, die den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Absage eines Prag-Besuchs veranlasste. Zeman hatte sich abfällig über die Sudetendeutschen geäußert. Die Tschechoslowakei hätte ihnen mit der Vertreibung nach 1945 einen Gefallen getan, sei doch die Vertreibung „moderater“ als die Todesstrafe gewesen. Die „deutsche Karte“ zog er noch einmal 2013 vor der Stichwahl zum Präsidenten, als er seinen Widersacher Karel Schwarzenberg bezichtigte, den Sudetendeutschen wieder Tür und Tor öffnen zu wollen.

Rückzug ins Privatleben und Wiederwahl

Im ersten Anlauf auf das höchste Staatsamt scheiterte Zeman 2003, als ihm Abgeordnete ausgerechnet der ČSSD die Stimmen verweigerten. Zeman zog sich schmollend für zehn Jahre ins Privatleben zurück, bis er in der ersten direkten Wahl durch das Volk zehn Jahre später die Prager Burg erklomm. Die Schmach von 2003 hatte er nie verwunden und rächte sich bei jeder Gelegenheit an seiner einstigen Partei. 2018 gewann er die Wiederwahl für eine zweite Amtszeit mit scharfer Polemik gegen den Migrationskurs von Angela Merkel.

Hass gegen Journalisten

Aus der Tatsache, dass er in Direktwahlen gewonnen hatte, zog Zeman den Schluss, dass ihm auch größere Machtbefugnisse zustünden. Das war aber von der Verfassung so nicht vorgesehen, was immer wieder zu Scharmützeln mit den Regierenden führte. Zudem legte er sich beständig mit unliebsamen Journalisten an, die er von ganzem Herzen hasste.

Sein Versprechen, die Tschechen zu einen, konnte er nie erfüllen. Im Gegenteil spaltete er die Gesellschaft immer mehr. Dazu trug auch seine außenpolitische Anbiederung an Russland und China bei. Nach dem Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine räumte er enttäuscht ein, sich in Wladimir Putin schwer geirrt zu haben.

Mittwoch: Letzter Arbeitstag

Am Mittwoch hat Zeman seinen letzten Arbeitstag und will danach unweit der präsidialen Sommerresidenz Schloss Lány seinen Lebensabend mit Bücherlesen verbringen. Sein Abschied setzt den Punkt hinter die Zeit der großen „Wende“-Politiker in Prag. Zemans Nachfolger, der frühere Nato-General Petr Pavel, war 1989 gerade mal 28 Jahre jung. Er wird am Donnerstag feierlich zum neuen tschechischen Präsidenten vereidigt.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
 
 

Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.