18.08.2019 - 14:05 Uhr

Geschichte mit viel Süße

"In drei Tagen ist Wunsiedel das neue Hamburg!" Das hätten die Verantwortlichen in der Zucker-Fabrik ganz gerne, schließlich haben sie ja die ganz besondere Rübe entdeckt. Ob es so tatsächlich kommt, sei einmal dahingestellt.

„Zucker“ ist der Stoff, aus dem ein gelungenes Musical für die Luisenburg geschaffen wurde. Und der Wunsiedeler Bürgermeister (Frank Logemann) wirbt euphorisch und voller Pathos für die Frucht der Zukunft – die Zuckerrübe – in seinem Stadtrat. Bild: Dietz/Luisenburg-Festspiele
„Zucker“ ist der Stoff, aus dem ein gelungenes Musical für die Luisenburg geschaffen wurde. Und der Wunsiedeler Bürgermeister (Frank Logemann) wirbt euphorisch und voller Pathos für die Frucht der Zukunft – die Zuckerrübe – in seinem Stadtrat.

Am Wochenende erlebten die Besucher auf der Luisenburg eine temporeiche Uraufführung des Musicals "Zucker", das brandneue Werk von Luisenburg-Chefin Birgit Simmler und Komponist Paul Graham Brown (beide reüssierten in der vergangenen Saison bereits mit dem Musical "Dschungelbuch").

Der Rohstoff Zucker taugt also zum Thema eines abendfüllenden Musicals? Ja, das tut er - kombiniert mit stimmigen Melodien, hervorragenden Sängern, begeisternden Choreographien, einer Geschichte von Krieg, Verrat und Liebe sowie dem historischen Bezug zur Region. Die Geschichte beginnt in Hamburg im Jahr 1809: Der Handel blüht, besonders der Schmuggel mit dem Luxusgut Zucker. Das Handelsembargo Napoleons gegen England hat auch Florentin Schmidt (Lukas Sandmann) reich gemacht. Als er und sein Geschäftspartner Heinrich Merck (Patrick Miller) von Spionin Franzi (Marina Granchette), die nur den Vater vor den Franzosen retten will, verraten wird, kehrt er in seine Heimat zurück: Wunsiedel.

Dubiose Wege

Dort bahnen sich neue Geschäfte an - Florentins Vater (Frank Logemann) ist Bürgermeister und seine Tante Eli (Sanni Luis) Besitzerin einer passenden Immobilie. Zucker ist das weiße Gold der Zeit. Florentin findet in seiner Heimat dubiose Mittel und Wege, Zucker zu schmuggeln - Särge kommen hier ganz groß in Mode - und experimentiert mit Rübenzucker, dem Stoff der Zukunft. Doch der Weg zu Reichtum im Fichtelgebirge ist steinig. Franzi wird auch in Wunsiedel zur Spionin und steht bald zwischen Liebe und Verrat. Als die geheime Zuckerfabrikation aufzufliegen droht, scheint es auch mit dem Glück der Liebenden endgültig vorbei zu sein.

Spannend und amüsant

Die Bedeutung des Zuckers für Wunsiedel und die tatsächliche Existenz eines Unternehmers Florentin Schmidt - das hat Birgit Simmler zu einer Geschichte inspiriert, die nur das Musical schreiben kann. Das ist spannend, amüsant, sogar historisch bildend - und natürlich auch mit einem "Happy End" verbunden. Die Geschichte wird von und durch die Musik erzählt. Das heißt, dass die Geschichte sehr wichtig ist, aber eben auch die Musik. Die Originalmusik, die von Paul Graham Brown geschaffen wurde, ist der Mittler zum Publikum. Durchgängig sind es Melodien mit Texten, die eingängig sind, die gefällig sind. Auch wenn sie vielleicht nicht den Charakter eines "Ohrwurms" haben (der bei diesem Stück auch gar nicht nötig ist), so verführen sie doch dazu, sich nicht nur auf die Melodie, sondern auch auf den Text einzulassen.

Gesanglich und schauspielerisch greift Regisseur Marc Krone auf ein exzellentes Ensemble zurück. Viele einzelne Szenen bleiben dem Publikum in Erinnerung, maßgeblichen Anteil daran hat Choreograf Simon Eichenberger: Wenn Lukas Sandmann und Patrick Miller bei "Attraktiv" gemeinsam Tango tanzen und dabei über das Wesen der Frau philosophieren, wenn Frank Logemann als Bürgermeister seiner Faszination gegenüber der Rübe Ausdruck verleiht ("Hier mein Plan für die Zukunft! Durch diese göttliche Zutat glänzt bald schon eure Zukunft hell!") und über die Rathaus-Tische springt oder wenn in mehreren imposanten Chorszenen die gesamte Bühne als "Partner" des Ensembles wahrgenommen wird.

Nur drei Aufführungen

Höhepunkt schlechthin - auch was die Kostüme angeht (verantwortlich: Marion Hauer) - ist die Szenerie im Marktredwitzer Café, als die feine Damengesellschaft, "bewaffnet" mit Tasse und Löffel, über das süße Leben mit Zucker ihren Klatsch abhält. Währenddessen liefern die Ober eine beeindruckende Perkussionsnummer mit Zuckerdöschen ab. Immer wieder gibt es den ganzen Abend über Zwischenapplaus vom Publikum - besonders auch für Marina Granchette in ihrer Rolle als Franzi und Mark Weigel als linientreuen Stadtrat Reisinger. Für den passenden Live-Sound, der stets klar und nie dröhnend übertragen wird, sorgt die achtköpfige Luisenburg-Band unter der Leitung von Martin Steinlein.

Einen kleinen Wermutstropfen hat die ganze Sache dann aber trotzdem: Es gibt nur drei Aufführungen (plus Generalprobe) des Musicals geballt hintereinander. Die Chance zur "Mundpropaganda" besteht leider kaum, um noch mehr Besucher in die etwa halb gefüllten Vorstellungen zu bekommen. Dabei wird gerade hier Birgit Simmler ihrem Anspruch gerecht, mit dem sie die künstlerische Leitung der Festspiele im vergangenen Jahr übernommen hat - nämlich einen regionalen Stoff so auf der Bühne umzusetzen, dass er die Menschen begeistert. An einer Wiederaufnahme des gelungenen Musicals in der nächsten oder übernächsten Saison darf deshalb kein Weg vorbeiführen.

Eine der witzigsten Szenen des Musicals zeigt die feine Damengesellschaft bei Tee-Plausch über das Leben und den Zucker. Bild: Dietz/Luisenburg-Festspiele
Eine der witzigsten Szenen des Musicals zeigt die feine Damengesellschaft bei Tee-Plausch über das Leben und den Zucker.
 
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