Cole versuchte bereits zu Beginn der 1980-er in seiner Heimat Derbyshire, rund 40 Kilometer von Manchester entfernt, Mitstreiter für eine Band zu rekrutieren - erfolglos. 1982 verschlug es ihn fürs Studium der Philosophie an die Universität in Glasgow, über etliche Jahrzehnte bekannt für ihr reges kulturelles Leben. Hier fand Cole Gleichgesinnte, die seiner kreativen Vision Ausdruck verliehen. The Commotions entstanden.
Nachdem die Band Ende der 80er abgewickelt war, verschlug es den "misanthropen Dandy", wie Cole sich selbst gerne definiert, in die USA, um dort eine Solokarriere ins Rollen zu bringen. "Der Erfolg damit war allerdings eher bescheiden", bekennt Cole, "nach wenigen Alben wurde ich von einer großen Plattenfirma gefeuert, seither veröffentliche ich bei unabhängigen Labels. Aber was soll's, ich zehre, auch finanziell, immer noch von de Commotions-Ära."
Folk trifft Elektronik
Lloyd Cole ist seit etlichen Jahren verheiratet, lebt mit Frau und zwei Kindern in Massachusetts, spielt hervorragend Golf bei einem Handicap von 5.3, er gibt weiterhin Konzerte, gerne ohne Bühnen-Begleitung. Und er nimmt weiterhin Platten unter eigenem Namen auf. Vor kurzem ist "Guesswork" (Earmusic) erschienen.
Diese Platte überrascht den Kenner des Cole-Werks, denn sie beinhaltet durchaus die gewohnten Folk-orientierten Melodien. Die allerdings werden dieses Mal mit Old-School-Elektronik speziell der 80er verknüpft. Synthesizer-Klänge demnach, die aber den wie stets bei Cole bestechenden Melodien keinen Abbruch tun.
"Als ich in den frühen 70ern anfing, Musik bewusst zu hören, gab es für mich vor allem T. Rex oder Roxy Music. Jenes Glam-Zeug hat mich schwer beeindruckt und auch bei der eigenen Arbeit beeinflusst. Doch es gab gleichermaßen schwebende Ambient-Klänge wie die von Cluster und Brian Eno. Irgendwann wollte ich eine Platte in deren Sinne aufnehmen, gepaart mit Pop-Harmonien. Jetzt war es an der Zeit dafür, ich hatte genügend Inspiration dafür angesammelt", schwärmt Cole.
Neben allem Elektronik-Experiment steht für den gerne mal grimmigen Poeten die eigene Stimme im Zentrum des Geschehens. "Der Gesang ist das Existenzielle, keine Frage. Ich bin ein Performer, live eine Rampensau, möchte mich nirgendwo hinter Gitarre oder Groove-Maschinen verstecken. Deshalb steht bei mir weiterhin das altmodische Croonen im Mittelpunkt."
Apropos "Grimmigkeit" im neuen Werk des Poeten: "Mir ist Kunst zwar immer noch wichtiger als der Humor", sinniert der einstige Philosophie-Student. "Aber ich bin während der letzten Jahre dahinter gestiegen, dass Kunst ohne welche auch immer geartete Form von Humor nicht möglich ist, da entsteht nichts Entscheidendes. Ich liebe meinen Job, also eine Arbeit, in der ich mir die Welt artifiziell erklären kann. Doch nur mit einem, zumindest gelegentlichen, Grinsen auf den Lippen halten wir uns am Leben."
Texte spielen für den smarten Grübler und bekennenden Snob im Sinne von Oscar Wilde weiterhin eine elementare Rolle im Gesamtschaffen. "Ich habe zwar weiterhin keine Ahnung", bekennt Cole, "woher Inspiration für meine Verse kommen.Aber was ich definitiv weiß: Mit zunehmendem Alter ändert sich meine Perspektive aufs Dasein. Ich sehe mich inzwischen beim Schreiben eher als Beobachter, nicht mehr sonderlich als jemand, der sein Innenleben nach Außen stülpt.
Legitimer Zustand
Ansonsten habe ich mehr und mehr mit dem Umstand zu kämpfen, dass ich immer weniger Einfälle für Texte habe. Dass es ein Geschenk ist, wenn einen die Musen mal küssen. Aber okay, ich bin 58. Ich denke - und fürchte -, das ist ein legitimer Zustand. An dem sich in der Zukunft nicht zwingend etwas ändern muss. Na ja, werde ich eben Showstar in Las Vegas", flachst Cole.
Unter diesem Gesichtspunkt der Alters-Betrachtung verwundert es nicht, dass Cole uns stolze sechs Jahre auf sein neues akustisches Lebenszeichen hat warten lassen. "Die Zeit vergeht schnell, ohne dass ich es allzu sehr mitbekommen würde", grübelt er. "Ich schlafe mehr als früher. Denke viel über die Existenz nach, ohne dass dabei neue Werke entstehen würden. Ich tue das einfach nur so. Anscheinend bin ich einer der letzten Bohemiens - ich flaniere und warte lächelnd auf den Tod." www.lloydcole.com













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