01.07.2018 - 13:54 Uhr

„Es grünt“ im Felsen

Musical-Klassiker „My Fair Lady“ begeistert bei Luisenburg-Festspielen mit fränkischer Note.

Zodwa K.M. Selele spielt sich als Eliza Doolittle ins Herz von Henry Higgins und auch in jene der Zuschauer Luisenburg-Festspiele/Florian Miedl
Zodwa K.M. Selele spielt sich als Eliza Doolittle ins Herz von Henry Higgins und auch in jene der Zuschauer

Die Entscheidung fällt einem echt schwer: Ist es die ordinäre Straßengöre oder dann doch die elegante Dame von Welt, die man lieber mag? Aus dem abgerissenen Blumenmädchen zu Beginn wird die Lady am Schluss. Wer will es dem Frauenverächter, ja eigentlich schon Menschenfeind Professor Higgins verdenken, dass dessen Gefühlswelt durcheinander gewirbelt wird.

Es ist ein ganz großes Stück der Musical-Literatur, das am Freitagabend bei den diesjährigen Luisenburg-Festspielen gegeben wird. Der Welterfolg „My Fair Lady“ von Frederick Loewe und Alan J. Lerner steht auf dem Spielplan. Und das in einer ganz besonderen Variante, in der aus dem „Cockney“-Akzent der Originalversion eine Inszenierung mit Hardcore-Fränkisch wird. Geht das? Ja, es geht. Darf man das? Ja, man darf. Ist es sinnvoll? Ja, es ist sinnvoll. Und es macht so richtig Spaß, dabei zuzuhören – auch wenn die Sprache für so manchen Besucher, der nicht aus dem nordbayerischen Raum kommt, vielleicht etwas merkwürdig klingen mag. Also quasi das „Cockney“ der bayerischen Sprache. Es ist ambitioniert, was sich das Ensemble für diesen Abend vorgenommen hat. Und es ist ganz große Klasse, was die Schauspieler, Sänger und Musiker unter der Regie und Choreographie von Luisenburg-Neuling Tim Zimmermann sowie unter der Dialogregie von Peter Hohenecker abliefern.

Higgins' große Leidenschaft

Henry Higgins (Markus Pol) hat eine große Leidenschaft – nämlich die Sprache. Der Phonetik-Professor erkennt auf Anhieb jeden Slang und Dialekt und weiß genau, woher jemand kommt, wenn er oder sie zu sprechen beginnt. Auch das Blumenmädchen Eliza Doolittle (Zodwa K.M. Selele) steckt er gleich in eine Schublade: derb, ungebildet und aus einfachen Verhältnissen oder im Originalton „entzückend ordinär und schauerlich schmutzig“. Doch dann packt ihn der Ehrgeiz: Er wettet mit Oberst Pickering (William Ludwig), dass er das Blumenmädchen aus der Gosse holen und durch Erziehung quasi neu erschaffen kann. Das Versprechen, durch Sprachunterricht zur „feinen Lady“ zu werden, verlockt Eliza. Das führt dann auch dazu, dass die Hauptdarsteller in einer dieser „Sprachstunden“, wo es um „heißen Tee“ geht, selber nicht mehr an sich halten können und ungeplant losprusten. Die Erziehungsmethoden, die Higgins an den Tag legt, sind keinesfalls menschlich. Militärischer Drill und Dressur passen wohl besser. Und während Eliza dabei vom sozialen Aufstieg träumt, sieht der eingefleischte Junggeselle Higgins in ihr nur ein ideales „Versuchskaninchen“, das für sein Experiment herhält. Erst ganz am Ende – als es schon fast zu spät ist – muss er sich eingestehen, dass ihm Eliza eigentlich ganz gut gefällt. Ob es Liebe ist? Nun ja, das mag wohl jeder Zuschauer selbst entscheiden …

Fränkin mit afrikanischen Wurzeln

Wer mit „My Fair Lady“ und den vielen Ohrwürmern des Musicals punkten will, muss auf überzeugende Schauspieler und Sänger setzen. Und das gelingt in Wunsiedel zweifellos: Zodwa K.M. Selele, Oberfränkin mit afrikanischen Wurzeln, ist die Traumbesetzung für eine fränkelnde „Eliza“, die nicht nur den Wandel vom Blumenmädchen zur Lady äußerst glaubhaft und temperamentvoll spielt, sondern auch gesanglich Maßstäbe setzt bei Solo-Nummern wie „Ich hätt‘ getanzt heut‘ Nacht“ und „Wart’s nur ab, Henry Higgins!“ (in bestem fränkisch). In nichts nach steht ihr Markus Pol, der das überhebliche und rüpelhafte Ekel-Paket Higgins überzeugend darstellt und so verhindert, dass im Publikum überhaupt irgendwelche Sympathien für ihn entstehen können. Auch ihm gebührt für seinen Gesang ein ganz dickes Plus – das Solostück „Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht“ gelingt genauso wie „Es grünt so grün“ gemeinsam mit Selele und Pickering-Darsteller Ludwig.

Perfekte Besetzung

Jede Rolle ist gut bis perfekt besetzt: Ein besonderer Höhepunkt ist auf alle Fälle noch Jürgen Strohschein in der Rolle des „Eliza“-Verehrers Freddy Eynsford-Hill, dem das Kunststück gelingt, den romantischen Song „In der Straße, mein Schatz, wo du lebst“ kitschfrei zu interpretieren. Viel Applaus gibt es auch für den stimmgewaltigen Jogi Kaiser in der Rolle von Elizas Vater, für Carmen Wiederstein als Hausdame Mrs. Pearce sowie für Inez Timmer als Mutter von Professor Higgins. Auch die tänzerischen Darbietungen – beispielsweise beim Pferderennen in Ascot oder auf der Straße in London – können durchwegs überzeugen. Eine erstklassige Leistung liefert zudem die siebenköpfige Luisenburg-Band unter der Leitung von Marty Jabara ab. Der Schlussapplaus und „Standing Ovations“ beweisen es: Ein richtiger toller Premieren-Abend, dem nur die musikalische „Zugabe“ fehlt.

"My Fair Lady" auf der Luisenburg Luisenburg-Festspiele/Florian Miedl
"My Fair Lady" auf der Luisenburg
 
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