Mit ihrem virtuellen Bundesparteitag haben die Grünen am Wochenende unmissverständlich klargemacht, dass sie regieren wollen. Deutlich wurde auch, welchen weiten Weg die ehemalige Protest-und-Chaos-Partei seit ihrer Gründung vor 40 Jahren und ihrer ersten Regierungsbeteiligung auf Bundesebene von 1998 bis 2005 zurückgelegt hat. Wird Deutschland im November 2021 also von einer Kanzlerin Annalena Baerbock oder einem Kanzler Robert Habeck geführt? Anfang 2020 hätte die Antwort gelautet: gut möglich. Dann kam Corona.
Vor der Pandemie durften die Grünen sogar darauf hoffen, CDU und CSU in den Umfragen solide zu überholen und stärkste Kraft zu werden. Eine desolate CDU mit einer scheidenden Bundeskanzlerin, sich bekämpfenden Kandidaten um ihr Erbe sowie einer gescheiterten Vorsitzenden hätte ein leichter Gegner werden können. Hätte. Ein Blick auf die Umfragewerte der Wahlforscher von Infratest Dimap zeigt, wie die Kurve der Union mit Beginn der Coronakrise im Frühjahr steil nach oben ging - aktuell liegt Schwarz 16 Prozentpunkte vor Grün. Die Union kann sich mit Kanzlerin Angela Merkel, Gesundheitsminister Jens Spahn und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder als stabiler Anker in der Krise profilieren.
Welche Machtoptionen also bleiben Baerbock und Habeck noch? Mit einer ausgelaugten SPD und einer in Richtung 5-Prozent-Hürde trudelnden Linken scheint ein grün-rot-rotes Bündnis in weite Ferne gerückt. Dann eben mit der Union - zumal sich CDU und CSU schon längst selbst einen grüneren Anstrich verpasst haben. Aber Juniorpartner unter einem Kanzler Friedrich Merz? Schon die Koalitionsverhandlungen kann man sich kaum vorstellen. Die Grünen sollten besser hoffen, dass sich Armin Laschet oder Norbert Röttgen durchsetzen. Dann könnte das 2021 tatsächlich was werden mit der Macht.