Es ist einfach zu verlockend, mit der Doppeldeutigkeit von „Ernst“ zu experimentieren und ein paar lockere Sprüche zu klopfen. Aus einem Wortspiel aber eine ganze Geschichte, respektive ein aberwitziges Theaterstück zu machen, ist ein Geniestreich. Oscar Wildes Komödie „The Importance of Being Earnest“, deren Bühnenfassung „Ernst sein ist alles“ bei den Burgfestspielen Leuchtenberg eine bejubelte Premiere hatte, hat seit ihrer Uraufführung 1895 nichts an Witz und Frische verloren.
Jack und Algernon (Maximilian Hegner und Tobias Schäffler kongenial als lausbubenhafte Nichtstuer) sind Mitglieder der respektablen Gesellschaft. Dennoch lieben sie einen lockeren Lebensstil. Hier kommt „Ernst“ ins Spiel, der imaginäre Bruder Jacks, unter dessen Namen er über die Stränge schlagen kann. Als Jack sich in Algernons Cousine Gwendolen (Sophia Janner) verliebt, will er Ernst loswerden. Doch Algernon nutzt die unmoralische Bad-Boy-Identität, um Jacks Mündel Cecily zu beeindrucken. Beide Damen haben aber ihren eigenen Kopf. Als alle schließlich auf Jacks Landsitz zusammentreffen – inklusive Gwendolens Mutter, die herrische Lady Bracknell (herrlich zynisch: Brigitte Beer) –, drohen die Doppelleben aufzufliegen. Die Verwicklungen aus Jacks ungeklärter Herkunft – er wurde als Baby in einer Reisetasche auf einem Londoner Bahnsteig gefunden – sorgen für weiteres Chaos. Oder wie Wilde es ausdrückt: „Die Wahrheit ist selten rein und niemals einfach.“
Auch wenn die englische Bedeutung von „Earnest“ (ernst, ernsthaft, aufrichtig) tiefer geht als das deutsche „Ernst“, gibt es kaum ein Wortspiel, das auch in der Übersetzung so gut funktioniert. Etwaige Unterschiede gleicht Regisseurin Anja Dechant-Sundby mit geschickten Nuancen in den Dialogen aus. Ihre stimmige und unglaublich witzige Bearbeitung für die Leuchtenberger Burgfestspiele verzichtet auf komplette Erzählstränge der reichhaltigen Vorlage Oscar Wildes wie den „Bunbury-Teil“.
Ohne den fiktiven Freund Algernons, dessen schwächelnde Gesundheit diesem als Deckmantel für seine Eskapaden („Bunburying“) dient, kommt der Figur gegenüber dem ständig rotierenden Jack eine leicht passivere Rolle zu. Mit seinem betont dandyhaften, überkandidelten Spiel wirkt Tobias Schäfflers Algernon streckenweise wie eine Verkörperung Oscar Wildes selbst, der als amüsierter Beobachter über der Szenerie thront. Als reizvoller Gegenpart zu Schäfflers Spiel gibt eine ebenfalls glänzende Anna Kunz ihrer „netten, kleinen Cecily“ den fast verstörenden Touch eines schwärmerischen Teenagers mit psychotischen Ausbrüchen. Kurz: Ein hochdynamisches Drama-Paar.
Generell gefallen besonders die teils stark überzeichneten, aber trotzdem glaubwürdigen Figuren, die ein spielfreudiges Ensemble gekonnt in Szene setzt. Dechant-Sundby reizt die Spielräume der Charaktere aus, ohne die Grenzen zur Farce zu überschreiten. Dabei holt das Stück enorm viel Schwung aus der Sprunghaftigkeit und dem skurrilen Charme der herrischen Damen. Denn die Lebemänner haben trotz der konservativen viktorianischen Gesellschaft herzlich wenig zu bestimmen. Selten wurde ein Verehrer beim Heiratsantrag so dirigiert wie Jack von Gwendolen. Und ein überraschter Algernon muss gar von Cecily beim ersten Treffen erfahren, dass sie bereits seit Monaten eine Beziehung führen – mehrere Krisen inklusive.
Die kompakte, rundum gelungene Inszenierung des Landestheaters Oberpfalz (LTO) gewinnt durch die Straffung an Tempo, ohne etwas von ihrer Leichtigkeit oder Wildes feinsinnig-wortwitzigen Bonmots zu verlieren. Die pointierten Ansichten über Liebe, Ehe und Eitelkeiten sind zeitlos universell und sorgen für etliche Lacher. Und als ein sichtlich geschaffter Jack trotz aller Lügengebilde feststellen muss, dass er eigentlich immer die Wahrheit sagte, scheint sich das begeisterte Publikum zu fragen: „Allen Ernstes jetzt?“















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