Im Gegenteil - stattdessen für eine immer oberflächlicher werdende Zeit, in der klare kritische Aussagen gepaart mit simpler, zupackender Musik nicht mehr das große Publikum erreicht. "Volksmusik", also "Musik für das Volk", wie der Nordrhein-Westfale Wader sie seit dem Karrierebeginn in den 1960ern bevorzugt hat, ist aktuell nicht mehr "Musik des Volkes". Die Kunst des Polit-Gassenhauers zählt nicht mehr allzu viel dieser Tage.
Doch Hannes Wader, Inbegriff des Wortes "Liedermacher", stellte sich über Jahrzehnte hinweg unbeirrt der Öffentlichkeit und - sang. Jetzt allerdings ist seine Stimme verklungen. Im übrigen eine ganz bewusste Entscheidung des Protagonisten selbst.
Bereits im Januar vergangenen Jahres kündigte Wader auf seiner Homepage an, nach mehr als fünf Dekaden "on the road" an im Herbst 2017 eine Abschiedstournee zu absolvieren, die er auch unter Begeisterungsstürmen über die Bühne(n) brachte. Waders letztes Konzert fand am 30. November im Berliner "Tempodrom" statt. Dieser Auftritt wird mit der CD "Macht's gut" (UniversalMusic) eindrucksvoll dokumentiert. Sie ist Waders Abschiedsgeschenk für seine nicht unwesentliche Anhängerschar.
Ansonsten feiert das knorrige Original, geboren am 23. Juni im Bielefelder Stadtteil Bethel, am heutigen Samstag seinen 76. Geburtstag. Der politisch stets weit links Stehende, radikal Unbeugsame, der 1977 der DKP beitrat, um Anfang der 1990er dieser für ihn "viel zu dogmatischen Institution" (O-Ton Wader) den Rücken zu kehren, kommt in die Jahre, ohne dass "mich dieser Umstand sonderlich beunruhigen würde", wie er gelassen bekennt. "Ich schaue niemals auf den Kalender. Aber ich weiß auch, wann es an der Zeit ist aufzuhören mit meiner Karriere als Musiker."
ONETZ: Herr Wader, was bedeutet es in immer apolitischer werdenden Zeiten, sich als „links“ zu positionieren?
Hannes Wader: Gerade in einer Ära, in der so viele Verschiebungen von politischen Grenzen hin zu mehr sozialer Ungerechtigkeit stattfindet, ist es wichtig, Haltung zu bewahren, eindeutig Stellung zu beziehen. An "linken" Positionen hat sich ja bis heute nichts geändert, im Gegenteil: Es geht um Gleichheit, um Brüderlichkeit, um Gerechtigkeit. All das muss man mehr denn je einfordern, dafür lohnt es weiterhin, sich einzusetzen.
ONETZ: Obwohl sie sich häufig ins politische Geschehen eingemischt und immer wieder klar Stellung bezogen haben, wurden und werden Sie von der Öffentlichkeit gerne als „beobachtender Außenstehender“ gesehen. Fühlen Sie sich wohl mit diesem Status?
Hannes Wader: Ich habe im Laufe von Jahrzehnten herausgefunden, dass dies tatsächlich meine Position ist. Nicht dass ich mich vor Problemen oder Emotionen drücken will. Aber ich lasse mich nicht mehr - wie etwa eine Zeitlang von der DKP - von Irgendjemandem vereinnahmen. Als ich Parteimitglied war, wollte ich mich bewusst in eine Gruppierung einfügen und für gemeinsame Ziele kämpfen. Heute geht mir die Individualität vor. Ich kann freier reden und agieren, wenn ich unabhängig bin.
ONETZ: Man bezeichnet Sie seit jeher als „Liedermacher“ – ist das inzwischen nicht ein sehr anachronistischer Beruf?
Hannes Wader: Nein, überhaupt nicht! Weil ich ja immer wieder neue Lieder "gemacht" habe, in denen ich Stellung zu diesem und jenem Thema bezog. Es mag sein, dass ich heutzutage in der zweiten oder dritten Reihe stehe. Tatsache ist, dass ich noch da bin, wenn auch nicht mehr aktiv. Dass ich etwas zu erzählen habe. Dass mir weiterhin Menschen zuhören. Und dennoch war es jetzt an der Zeit, diesen Job aufzugeben. Es ist schlicht eine Frage des Alters.
ONETZ: In ihrem Werk befinden sich immer schon politische wie poetische Lieder. Ist demnach für Sie das Politische privat und umgekehrt das Private ein Politikum?
Hannes Wader: Drücken wir es so aus: Ich war und bin ein denkender und gleichzeitig ein fühlender Teil unserer Gesellschaft. Damit ist klar, dass die Grenzen zwischen privatem und politischem fließend sind.
ONETZ: Jetzt nach Bekanntgabe, dass Sie Ihre Karriere beenden werden: Wie fällt der private Rückblick auf die eigene Arbeit aus?
Hannes Wader: In all seiner zweifelsohne vorhandenen Zerrissenheit kann ich mit meinem Gesamtwerk sehr gut leben. Und jetzt: "Macht's gut!".













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