Wenn sich der Staub der Empörung gelichtet hat, wird sich möglicherweise die Erkenntnis durchsetzen, dass die Regierung in Wien genaugenommen an der nackten Realität zerbrochen ist. Wie Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor der versteckten Kamera dahergeredet hat, dürfte sich wenig von anderen verschwörerischen Hinterzimmer-Gesprächen unterscheiden, die Machtpolitiker aller Couleur regelmäßig führen - wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Dumm für die FPÖ, dass ausgerechnet bei ihr der Vorhang gelüftet wurde und das Publikum sehen konnte, was auf der Bühne passiert, wenn die Scheinwerfer aus sind.
Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte keine andere Wahl, als die Reißleine zu ziehen, um nicht in den Strudel zu geraten. Indem sich nun aber auch noch die SPÖ zur Gespielin der auf Rache sinnenden FPÖ macht und Kurz aus dem Amt jagen will, macht sie alles nur noch schlimmer. Falls so kurz nach der Europawahl in Wien ein Machtvakuum entsteht, wäre das ein fatales Signal Richtung Brüssel.
Jetzt ist der falsche Zeitpunkt, um die Macht in Österreich zu zocken. Die Zeit bis zu den Neuwahlen könnten ÖVP und SPÖ besser nutzen, indem sie sich auf konstruktive Sacharbeit konzentrieren. Wenn sie stattdessen ein Polittheater veranstalten, hilft das am Ende nur denen, die den ganzen Mist verbockt haben: der FPÖ.
Den Zenit klar überschritten haben die "großen" Volksparteien. Dagegen sind die Verluste der AfD kaum der Rede wert. Es sei denn, man hört sich gerne reden!
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Orban und die AfD sind mit ihren Ergebnissen bei der EU-Wahl nicht zufrieden und scheinen ihren Zenit jeweils überschritten zu haben. Die Spenden-Skandale der AfD und die Korruptionsskandale Orbans öffnen nach und nach den Wählern die Augen.
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Die letzten Umfragen sagen erneut eine absolute Mehrheit für Orbans Fidesz-Partei voraus! Davon können CDU und CSU nur noch träumen (die SPD hat bereits ausgeträumt). Kaum zu glauben, dass die AfD daran schuld sein soll. - Oder vielleicht doch?
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Die "Zeit" wirft aktuell einen Blick auf Sebastian Kurz und seine rechten Spezl. Es ist erst 16 Monate her, als Viktor Orban die CSU zur Klausur in Seeon besuchte. Der Parteichef hieß noch Horst Seehofer, der Ingolstädter war auch noch Ministerpräsident. Der ungarische Staatschef stehe "zweifelsfrei auf einem rechtsstaatlichen Boden", diktierte Seehofer den Journalisten. Orban - ein Freund des Freistaates, ein lupenreiner Demokrat.
Europakritik hat eine lange Tradition bei der CSU. Strauß, Streibl, Stoiber und Seehofer wetterten so lange über „die da“ in Brüssel, bis die Stimmung in der Bevölkerung zu kippen drohte. Im Jahre 2001 wurde Orban der Franz Josef Strauß-Preis verliehen, der sich als eine „Auszeichnung für hervorragende Leistungen in Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur“ versteht. Orban bastelt inzwischen an einem Parteienbündnis mit der AfD, der österreichischen FPÖ, der Rassemblement National der Französin Marine Le Pen und Salvinis Lega Nord. Seehofer und Co. haben dem Ungarn viel zu lange die Stange gehalten. Nun die Kehrtwende der CSU. Es hat lange genug gedauert, bis die CSU merkte, dass man die AfD nur noch stärker gemacht hat, als man ihre Parolen nachplapperte, statt auf das Erreichte zu verweisen. Als Söder im vergangenen Juni bei Kanzler Kurz in Wien war, war er rechtspopulistischen Ausfällen gegenüber noch äußerst aufgeschlossen. Man teile eine "gemeinsame Haltung im Geiste", erklärte Söder, der, mit Dobrindt damals der eigentliche Scharfmacher im Konflikt seiner CSU mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über Fragen der Flüchtlingspolitik war. Kurz darauf, und gerade noch rechtzeitig vor der Landtagswahl in Bayern, stieg Söder aus dem Populisten-Business aus, und überließ dem verdutzten Horst Seehofer allein die Rolle des Querulanten. Diese Darstellung eines CSU-Präsidiumsmitglieds deckt sich mit den Aussagen Seehofers.
Hat Kanzler Kurz so viel Mitleid tatsächlich verdient? Der ehemalige ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner, langjähriger Vizekanzler und Wirtschaftsminister der ÖVP erhob schwere Vorwürfe gegen seinen Parteifreund und schilderte jüngst, wie er von Sebastian Kurz machtgierig und skrupellos aus dem Amt gedrängt wurde.
Kurz hat die extremen, nationalen Töne in Österreich wieder Salonfähig gemacht. Monatelag war der Kanzler „untergetaucht“, überlies seinem Innenminister das Feld mit schrägen Kommentaren. Duldete den „Hofknicks“ seiner Außenministerin vor Putin. Und da verging kein Tag, in dem der freie Journalismus - insbesondere der öffentlich-rechtliche des ORF - nicht schlecht geredet und zum Feind erklärt wurde. Genau so geht es los. So geraten Demokratien ins Rutschen. Kurz hat nach dem Ausscheiden der FPÖ keine Gespräche mit den anderen Parteien gesucht, um die Übergangsregierung bis zu den Wahlen zu bilden. Er ist ein stückweit entzaubert.
Kurz suchte demonstrativ den Schulterschluss mit Orban und der Visegrád-Gruppe und schwächte so Europa und die Demokratie. Insofern würde sich der Verlust für Österreich, Europa und die aufgeklärte Gesellschaft bei einer Abwahl von Kurz in Grenzen halten.
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