Viel gelesen hat er nicht. Aber geredet wie ein Buch. Zwei Stunden lang klärte Ingo Zamperoni, seit Herbst 2016 Moderator der ARD-"Tagesthemen" und früherer USA-Korrespondent, am Mittwochabend in Marktredwitz über die Vereinigten Staaten auf. Er ist gekommen, um aus "Anderland" zu lesen, sein zweites Buch nach dem Bestseller "Fremdes Land Amerika".
"Die USA unter Trump - ein Schadensbericht" lautet der Untertitel, der etwas in die Irre führt. Denn Zamperoni hat keine Klageschrift verfasst, sondern ein Erklärstück. Der Untertitel ist denn auch eher der Tribut an die überwiegende Ablehnung, auf die US-Präsident Donald Trump in Deutschland und Europa stößt. Die USA sind seit seiner Kindheit sein Thema, sagt Zamperoni, "als Halloween bei uns noch kein Feiertag war". Als US-Fan aber will der TV-Journalist nicht verdammen, sondern Verständnis wecken.
Zamperoni kennt die Verwerfungen, die Trumps Wahlsieg ausgelöst hat, aus der eigenen Familie. Der Schwiegervater hat Trump gewählt, seine amerikanische Ehefrau sei eher liberal-progressiv. "Früher fanden sie einen gemeinsamen Nenner, jetzt nicht mehr", beschreibt der ARD-Moderator den tiefen Riss, der durch die Gesellschaft gehe. Trump treibe Keile in die Gesellschaft, statt Brücken zu bauen. Der Ton sei rauher geworden. "Trump ist nicht die Ursache, sondern ein Symptom", so aber die Hauptthese Zamperonis. Weil viele merkten, dass für sie das Versprechen des amerikanischen Traums nicht mehr gelte, greife die "Zugbrücke-hoch-Mentalität" um sich. Trump wisse, was den Leuten unter den Nägeln brennt, viele hätten die politische Elite satt, wollten das System, das Establishment, abfackeln. "Einen besseren Brandstifter hätten sie kaum finden können", so Zamperoni. Der TV-Mann schwankt zwischen Abneigung und heimlicher Bewunderung. "Am liebsten würde er sich selbst heiraten", sagt er etwa über das "beeindruckende Selbstbewusstsein" Trumps. "Und: Er ist einer der ehrlichsten Präsidenten, die wir je hatten - auch wenn er es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt."
Ob Trump eine Gefahr für den Weltfrieden sei, wird Zamperoni schließlich gefragt. Der TV-Journalist wägt seine Worte auch hier, angesichts von Twitter-Gewitter und Säbelrasseln, ab. Ja, Trump mache die Welt unberechenbarer, mache es schwerer, eine Linie in die Zukunft zu ziehen. Zamperoni nennt das etwas ungelenk die "Rücksichtslosigkeit der US-Regierung gegenüber den Auswirkungen ihrer eigenen Politik". Aber: "Trump ist nicht doof in dem Sinne." Er sei immer gut damit gefahren zu provozieren. Deshalb das Poltern und Drohen. "Ich glaube, unterm Strich ist ihm auch bewusst, dass wir nur diesen einen Planeten haben."
Bei aller Distanz bringt Zamperoni viel, vielleicht zu viel Verständnis für Trump und die Trump-Wähler auf. Dazu passt seine Selbsteinschätzung als Journalist: "Es ist nicht unsere Aufgabe, einen Politiker zu verhindern", sagt er. Ein Raunen geht denn auch durch die Reihen des Publikums in Marktredwitz, als der 44-Jährige seine Prognose für die nächste Präsidentenwahl abgibt: "Ich will keine Lanze für Trump brechen, aber die Amerikaner werden ihn auch 2020 wieder wählen." Und das, obwohl die Trump-Gegner mobilmachen. Aber die Europäer und die Deutschen mögen sich nicht täuschen. Viele in den USA seien keineswegs enttäuscht von Trump, sondern "happy" mit dem, was passiert, begeistert von seinem "Make America great again.". Das hat Zamperoni bei seinen vielen Gesprächen mit glühenden Trump-Anhängern erfahren.
Marktredwitz
31.05.2018 - 16:08 Uhr
Ingo Zamperoni: Trump gewinnt auch 2020
von Albert Franz
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