Wofür braucht der Mensch einen SUV? Was gibt ihm der Sport? Wie ist das mit der Männerliebe? Diese und viele andere Fragen wirft Ramon Bessel, der Vokalpianist, Komponist und studierte Musiklehrer, in den Raum des Schmidt-Hauses. Auf der Bühne nur Piano und Technik. Pur, offen und stets mit dem Finger in der Wunde öffnen Bessels Musiktexte Augen, Ohren und Gedankenwelten. Wofür also ein SUV? Wofür einen Geländewagen kaufen ohne Gelände - mitten in München? "Die Ästhetik kann es nicht sein!" bestätigte sogar ein Autoverkäufer. Ein Panzer, ein zweieinhalb Tonnen schweres Stahlgeschoss. Für die Rechtsanwaltsgattin, die ihr 40 Kilo leichtes Töchterchen damit zum Klavierunterrricht fährt? Das ist echte Satire. Bessel weiß zu provozieren ohne zu verletzen. Seine Aussagen und sozialen Analysen sind scharfsinnig und voll tiefer Wahrheit.
Doch es geht auch sanfter, wenn er etwa ein Liebeslied an seinen Heimatort singt. Innig, verträumt, durchsetzt mit Juchzer und Jodler. Gmund am Tegernsee, da scheint die Welt noch in Ordnung. Stressfrei, ohne Besonderheiten. Das Strandbad ohne Eintritt, die Tür dazu liegt schon lange im Gebüsch. Keine Uferpromenade mit teurem Pflaster, Hunde ohne Leine. "Und wer am Tegernsee die Orientierung verliert, geht auf die Neureuth. Da herrscht ein ziemliches Gedränge!" setzt er verschmitzt hinzu.Und nimmt auch die Widersprüche der Bayerischen Sprache aufs Korn. Was ist etwa ein dunkles Helles? Und warum klingt der Gehweg wie "geh weg"?
Spätestens hier wird klar: Das ist Kabarett, Satire in Reinform. Nachdenklich, inhaltsvoll. Und hier mischt sich auch die Sängerin ein, Isabelle Scheiber, Spitzname "Sternchen". Beide waren schon öfter in Nabburg zu Gast, zuletzt mit dem Trio "Riscant". Wieder ein Genrewechsel im Liedgut. Ein schwermütiger Text mit leichter Klavierbegleitung: "Der Gast". Fast melancholisch haucht Isabelle "Jedesmal wenn Du gehst", blickt dabei traurig in Ramons Gesicht.
Dieser plaudert zwischendurch locker mit dem Publikum. Etwa, dass er seit etwa 3 Monaten verheiratet ist, mit Isabelle. Und nun eine ganz neue Frage hat: Was ist Treue? Als Beispiel nennt er: Wenn seine Frau sagt, er sei schlecht im Bett, kann er sich nun keine "Zweitmeinung" mehr einholen. Als Motivationslied für die Ehe nennt er sarkastisch den Vergleich mit Sklaven beim Baumwollpflücken. "Steh auf Dein Weib!" hat er das Lied "Staying Alive" von den Bee Gees umgedichtet.
Und dann waren da noch die hohen Mieten in München. Er habe sich "hochgewohnt", um fünf Stufen, beginnend bei einem Kellerloch in Schwabing. Doch dann kam Dirk! Nachdem er von dominanter Weiblichkeit erzogen worden war, endlich "dieses schöne, warme Gefühl" einer Männerliebe. Ohne schwul zu sein! "Aber kommt ein Weib dazu, ist Schluss." Dirk ist technisch begabt. Jetzt wohnt Ramon in einer Art WG, zusammen mit Dirk und Isabelle. Zeit für ein warmherziges Lied darüber, dass vieles zwar alleine geht, aber manches nur zu zweit.
Nicht nur spaßige, auch philosophische Aussagen unterstreichen die Vielseitigkeit seiner selbst geschriebenen Texte, wie "Du bist in Ordnung so wie Du bist" oder "Man muss Dinge sein lassen, um etwas Neues zu schaffen". Seine Lieder hat er aufgeteilt in "erbaulich" und "weniger erbaulich". Für einen Gospel macht er das Publikum zum "Schubidu"-Chor, besingt eine Nachbarin, die sich für ihren Partner aufgearbeitet hat. Sie war sein Kindermädchen, seine Krankenschwester, ließ sich alles gefallen, hat sich für ihn aufgegeben. Nun saugt sie sich am Nikotin fest. "Liebe aus Gewohnheit kann tödlich sein". Davor zitierte er das Gedicht vom "Liebeswahn" aus dem 12. Jahrhundert. Als Beweis, dass es so etwas schon immer gab: "…verloren ist das sluzzelin, du muost immer drinne sîn".
Luxushundefutter? Sowas kann es doch nur in München geben. Dekadenz für Angeber. Die Zusammensetzung liest sich wie die Speisekarte im Sternerestaurant. Roman sehnt sich nach Normalität. Keine Überteibungen. Normal essen und trinken, Rasen mähen, Verzicht auf Gesichts- und Körperoptimierungen, Freunde, Lebensqualität. Und schwärmt vom Sternenhimmel über Nabburg: "Kein lichtverschmutzter Nachthimmel wie in München". Dazu passt sein "Geliebte schwarze Nacht". Poesie aus dem Leben, unsagbar still und ruhig das Ende. Nein, Zugabe muss sein. "Viva la Vida" stimmen Ramon und Isabelle an, es lebe das Leben.
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