Mit seinem aktuellen Programm „Heil – vom Koma zum Amok“ beweist Zimmerschied eindrucksvoll, dass er mit seinen fast 66 Jahren nach wie vor zu den Besten seiner Zunft zählt. Der Kabarettist überzeugte mit seinen dargestellten Charakteren am Freitag und Samstag die Besucher im jeweils ausverkauften Schmidt-Haus in Nabburg: Denn es ist – wieder einmal – dramaturgisch und sprachlich ausgefeiltes Kabarett-Theater, das Zimmerschied auf die kleine Bühne bringt.
Mit Fliegen, Kakerlaken und Ratten kennt er sich aus – der große Vorteil, wenn man einen „Beruf mit einem Scheißimage“ hat. Sigi Heil ist Kammerjäger („Jeder braucht Dich, aber keiner will sich mit Dir sehen lassen“), und heute ist sein 65. Geburtstag. Zuhause säuft der sich den Abend schön, Freunde und Bekannte, die vorbeischauen, halluziniert er sich herbei. Nur der ein oder andere Schädling kommt leibhaftig vorbei – und sei es als Opfer in einer Rattenfalle. „Vom Ungeziefer her bin ich Kosmopolit“, stellt Sigi fest.
Sigi Heil – im Namen schwingt das Offensichtliche mit. Da ist das Ausrotten nicht nur ein Job, sondern eine wahre Leidenschaft. Und das muss sich dann nicht nur auf Tiere beschränken. Gerne dingt sich der Sigi auch als gewalttätiger Mensch an, Erfahrungen in diesem Metier hat er bereits als Türsteher oder noch früher in der Schule gemacht: „Der Ernst war schon immer ein Lyriker, er hatte dieses jambische Röcheln in der Schule, als er in der Schule die Treppe runterflog!“ Um seine Rente aufzubessern, startet er verschiedene Anfragen – beim „Todespfleger“ Niels Högel, um gemeinsam „Generationenhygiene“ zu betreiben, bei der Antifa und dem Schwarzen Block, um die Szene gemeinsam aufzumischen, oder beim islamischen Hassprediger, um „Ungläubige“ zu beseitigen („O Scharia hilf!“).
In seinem herbeigesoffenen Koma tauchen vor Sigis Augen Figuren aus der Vergangenheit auf – der Rudi, die Annemie, der Vater, der kleine Bruder Erwin, der Pfarrer, der einäugige Militärkamerad („Auf dem rechten Auge blind zu sein, ist in der Bundeswehr ein Geschenk!“). Einige halten eine Ansprache, andere verschwinden wieder so schnell wie sie gekommen sind. Und doch versinnbildlichen sie alle die traurige Existenz, die von einem 65-jährigen Leben geblieben ist. Platz hat Zimmerschied in seinem Programm auch für eines seiner „Lieblingsthemen“ – nämlich die Kritik an der Katholischen Kirche. „Die Kirche braucht das Böse zum Überleben“, sinniert die Bühnenfigur. Das Jesus-Kreuz erscheint als Waffe, die „besser als Senfgas“ sei. Die Charakterisierung als „größter ideologisch motivierter Serienkiller der Geschichte“ durchströmt das Schmidt-Haus. Wahrlich kein leichter Tobak für Gläubige.
Das Programm läuft geradewegs auf die Katastrophe zu, das Koma steigert sich zum Amok, zum Massaker, an dem alle Besucher teilhaben sollen. Es ist beklemmend zu sehen, wie es Zimmerschied gelingt, die Zuschauer in Gaffer zu verwandeln: „Eure Waffe ist das Smartphone!“ Alle folgen seiner Regie des Grauens, er bestimmt, wer Opfer, Täter, Zeuge und Held ist. Die ganze Wucht des Abends hat vielleicht manchen Besucher erst etwas später eingeholt.














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