Neustadt an der Waldnaab
20.11.2019 - 17:35 Uhr

Streit um 5-Hektar-Ziel der Staatsregierung: Flächen kann man nicht fressen

Als Finanzminister hat Markus Söder seine Sparziele erreicht. Jetzt will der ergrünte Ministerpräsident Flächen sparen. Bei der Regionalkonferenz in Neustadt/Waldnaab sind nicht alle Bürgermeister begeistert.

Regierungsdirektor Axel Koch (von links) moderiert die Podiumsdiskussion mit Florian Rieder (IHK), Klaus Ulrich (Wirtschaftsministerium), den Bürgermeistern Toni Dutz und Bernd Sommer, Dr. Robert Leiner und Landrat Andreas Meier. Bild: jrh
Regierungsdirektor Axel Koch (von links) moderiert die Podiumsdiskussion mit Florian Rieder (IHK), Klaus Ulrich (Wirtschaftsministerium), den Bürgermeistern Toni Dutz und Bernd Sommer, Dr. Robert Leiner und Landrat Andreas Meier.

"Wir lassen uns als Genehmigungsbehörde nicht wieder zum Sündenbock der Flächensparoffensive machen", wehrt sich der Neustädter Landrat Andreas Meiergegen die Rolle als Spielverderber, wenn Gemeinden über das 5-Hektar-Ziel am Tag hinaus Baugebiete ausweisen wollen. "Wir müssen aufpassen, dass man uns die kommunale Planungshoheit nicht aus der Hand nimmt."

Ökosozialistischer Ansatz

Wiesaus Bürgermeister Toni Dutz, der das interkommunale Gewerbegebiet an der A 93 als Vorbild präsentiert, wird noch deutlicher: "Ich habe einen dicken Hals", schimpft er auf den "ökosozialistischen Ansatz, den ich für einen fatalen Fehler halte." Wenn er die Kampfbegriffe schon höre: "Flächen kann man nicht fressen, die kann man nutzen", postuliert er unter Applaus. Es sei das völlig falsche Signal zur falschen Zeit: "Genau in der Phase, wo in den Ballungsräumen alles überhitzt, will man unser Entwicklungspotenzial beschneiden - dabei heißt es immer, man soll die Arbeit zum Menschen bringen."

Mit Engelszungen versucht Regierungspräsident Axel Bartelt, Emotionen der Kommunalpolitiker des Planungsverbandes Nord zu dämpfen: "Wir wollen Ihnen nichts überstülpen", sagt der Oberbayer und pinselt den Nordoberpfälzern den Bauch: "Ich habe großen Respekt vor Ihrer Leistung", sagt er mit Verweis auf die Arbeitsmarktstatistik. "Ich weiß aber auch, es gibt noch Nachholbedarf", deshalb wolle die Staatsregierung keinesfalls die wirtschaftliche Entwicklung bremsen: "Es geht darum, gemeinsam die Flächennutzung zu optimieren."Klaus Ulrich, Abteilungsleiter für Landesentwicklung im bayerischen Wirtschaftsministerium, versucht den Ansatz der Staatsregierung als eine Art Vorwärtsverteidigung gegen weitreichende Pläne der Grünen und Stimmungen in der Bevölkerung ins rechte Licht zu rücken. Der Richtwert des maximalen Flächenverbrauchs von 5 Hektar bis 2030 sei eine Zielgröße, die der Abwägung unterliege: "Wir wollen auch weiter bezahlbaren Wohnraum und eine wirtschaftliche Entwicklung", beteuert der Beamte, "deshalb setzen wir uns dem Vorwurf der Unverbindlichkeit vonseiten der Grünen aus." Sicher, der Grundsatz des Flächensparens sei nicht komplett unverbindlich, er müsse in die Abwägung eingehen.

"Wir planen eine Standardisierung des Bedarfsnachweises", erklärt Ulrich, "uns ist wichtig, dass man bei der Bauleitplanung sieht, man hat sich auseinandergesetzt, alle Möglichkeiten ausgeschöpft, bevor man neue Flächen ausweist." "Wachsen nach innen", sei das Ziel. "Eine kompaktere Siedlungsstruktur nützt allen, weil Sie lebendige Innenstädte haben und weniger Folge- und Erschließungskosten ."

Frage für Lokalpatrioten

Dr. Robert Leiner von der Ludwig-Maximilians-Universität Münchenbindet die Bürgermeister mit einer Onlineabstimmung in den Vortrag ein. Die Suggestivfragen motivieren dazu, die eigene Haltung zu überdenken. Fallen die ersten Umfrageergebnisse wenig schmeichelhaft für das neue Flächensparbewusstsein aus: 36 von 38 Kommunalvertreter bejahen die These, dass Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung für Kommunen wesentlicher sind als Flächensparen. So hat er die Mehrheit der Bürgermeister mit einer lokalpatriotischen Frage am Wickel: "Das Thema Landschaftsbild und Baukultur sollte eine größere Rolle spielen" befürworten 24 Stimmberechtigte, nur 5 votieren dagegen.

Auszeichnung für "Wachstum nach Innen":

So spart Waldsassen Oberpfälzer Boden

„Ich setze immer noch auf Stadtflucht und Landlust“, plädiert Bürgermeister Bernd Sommer für positive Anreize statt Regulierung, „Wenn Sie einen Preis ausloben, sind hier alle dabei.“ Er selbst ist noch immer überrascht, dass die Anstrengungen seiner Kommune preisgekrönt wurden: „Vielleicht sind wir strategischer mit breitem Portfolio vorgegangen“, sagt der CSU-Politiker. „Ich bin in jedes Haus, in jeden Keller gekrochen, um zu schauen, was für ein Potenzial da ist.“ In ein barockes Gebäude am Ortskernrand, früher sozialer Brennpunkt, habe sich ein Pärchen verliebt. Für einen abbruchreifen Altbau habe sich ein Investor gefunden, der fünf Mietwohnungen und ein Büro schaffe. Und das Mühlviertel habe man mit Betreutem Wohnen aus dem Dämmerschlaf geweckt.

 
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