Nittenau.Der Regisseur und Schauspieler Eric Roßbander gestaltet am Samstag im Foyer des Rathauses einen Soloabend mit "Liedern und Balladen vom Mittelalter bis heute". Dabei beweist er, dass, wenn man stimmlichen Fähigkeiten so facettenreich beherrscht, ein Instrument nicht vermisst werden muss. Ein Schwerpunkt des Abends ist dabei die Ausdruckskraft der Liebe und die Doppeldeutigkeit der Satire. Es zeigt sich außerdem, dass diese Themen zwar an ihre jeweilige Epoche gebunden sind, sich aber in ihren fundamentalen Ansichten zeitübergreifend äußern. Dementsprechend stellt der Rezitator die "Carmina Burana" vor. In diesen Liedtexten aus dem 13. Jahrhundert wird die Wirkung des Schicksals im menschlichen Leben gewürdigt.
Lenz bringt Lebenslust
Umrahmt ist die Sammlung von dem Grundsatz "O Fortuna, wie der Mond bist du veränderlich". In einigen Bereichen ist das vertieft. So "Im Frühling", wenn "der liebe Lenz bringt neue Lebenslust" oder "In der Schenke", denn "wenn wir sitzen, kann uns nichts weiter erhitzen". Höhepunkt ist aber der "Liebeshof", denn "die Liebe flieget überall" und wird in ihren Formen keck besungen. Der Sprung zu Francois Villon (1431-1463) ist nicht weit. Dieser besingt sogar die Liebe zu einer Hure, deutet damit also an, dass Liebe keine Regeln kennt.
Weiter geht es mit William Shakespeare, dessen Sonette für den Vortragenden eine besonders wichtige Rolle spielen, weil sie die Breite des Lebens umfassen. So im 66. Sonett, wenn viel Unbill das Leben bedrängt, aber "All dessen müd, möchte ich gestorben sein, blieb nicht mein Liebster, wenn ich sterb', allein." Vor allem lobt Shakespeare die Kraft der Liebe: "Liebe ... ist Leitstern, der verirrte Schiffe lenkt", heißt es im 166. Sonett. Dem ist nichts hinzuzufügen. Doch! - Sonette sind bei Shakespeare Ventile für Freude, Überschwang, Frust und viel andere fundamentale Stimmungen, meint der Rezitator. Sie sind Arien des Schauspielers.
Erschreckend modern
Jetzt stellt er Brechts Buch "Über die irdische Liebe und andere gewisse Welträtsel in Liedern und Balladen" vor. Neben intensiven Gefühlsdarstellungen finden sich bei ihm aber immer auch satirische Übertreibungen von intensiven Gefühlen. Ferner spielte Moral bei Bertolt Brecht eine entscheidende Rolle. Erschreckend modern ist heute noch seine Aussage "Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht." Demnach hat sich der Mensch laut Brecht immer darum zu bemühen, Verfehlungen zu vermeiden. So ist sein Gedicht "Gegen Verführung" (1918) eine hellsichtige Warnung.
Das Gedicht "Ermutigung" (1980) von Wolf Biermann, ist ebenso hellsichtig in der damaligen DDR. Zu allen Zeiten beschäftigt sich Lyrik mit zentralen Stimmungen des Menschen und stellt dabei hochsensible wie durchschlagende Erkenntnisse dar. Das ist die Quintessenz des hochinteressanten Abends, die noch eindringlicher wirkt in der gekonnten Vortragsweise der Texte durch den Rezitator.
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