Nürnberg
28.03.2019 - 17:02 Uhr

Mit bitterbösem Blick

In ihrem neuesten Text „Eine kurze Geschichte der Bewegung“ wirft die tschechische Erfolgsautorin Petra Hůlová einen ebenso satirisch überspitzten wie kontroversen Blick auf die Sexismusdebatte unserer Tage.

Eine Stoffpuppe verhindert, dass Mann und Frau ihre Gefühle ausleben. Im Bild (von links): Sarah Havácová und Felix Mühlen. Bild: Konrad Fersterer
Eine Stoffpuppe verhindert, dass Mann und Frau ihre Gefühle ausleben. Im Bild (von links): Sarah Havácová und Felix Mühlen.

Männer müssen lernen, "Frauen als menschliche Wesen wahrzunehmen", lautet eine der Thesen an diesem Abend. Wobei die tschechische Autorin Petra Hůlová sofort Entwarnung gibt: "Mittlerweile handelt es sich bei bereits neunzig Prozent der männlichen Bevölkerung um kultivierte Wesen." In ihrem aktuellen Text „Eine kurze Geschichte der Bewegung“ wirft die 39-Jährige einen bitterbösen Blick auf die Sexismusdebatte unserer Tage. Ihre Utopie von einer heilen Welt ohne Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt regte nach der Uraufführung im Staatstheater Nürnberg zu spannungsvollen Diskussionen an.

Wenn „das Geschlecht“ etwas von Menschen gemachtes ist, dann muss es möglich sein, es zu verändern, so lautet eine weitere These. Die feministische „Bewegung“ einer gewissen Rita richtet deshalb Institute und Gemeinschaftszentren ein, um internierte Männer und Frauen umzuerziehen. Damit eine gerechte „Neue Welt“ entstehen kann, braucht es den Einsatz von Elektroschockern, Masturbationsritualen, Kühlhäusern und Einzelhaft. Die Latte bzw. das Ziel hängt hoch: Befreit den Sex von aller Triebhaftigkeit, um zu einem tiefen Dialog zweier Seelen zu gelangen.

Regisseur Armin Petras erhielt nun die dankbare Aufgabe, aus der unzusammenhängenden Nummern-Revue ein einleuchtendes Stück zu zaubern. Und an einigen Stellen gelingt das ganz gut. Dann nämlich, wenn die dreisprachigen Dialoge (deutsch, tschechisch und englisch) tatsächlich zu tiefsinnigen Themen führen: Dass Weiblichkeit oft nur mit Schönheit und Jugend verbunden wird. Dass innere Werte wie Intelligenz, Güte und Humor mitunter wenig zählen. Und dass es auf eine Partnerschaft auf Augenhöhe ankommt, bei der Charaktere, Wesen und Vorstellungen von einem gemeinsamen Leben miteinander harmonieren können.

Anderes dagegen wirkt klischeehaft, banal oder einfach nur geschmacklos. Dass Männer über Pornos onanieren und Frauen damit zum bloßen Objekt degradieren. Dass Geschäftsmänner ihre Erfolge in Bordellen feiern. So richtig schlaff wird es dann, wenn sich die vier Schauspielenden mit Zahnpasta beschmieren, ihre Geilheit in Plastiksäcken ausleben und wild zu den Rhythmen von Chers "Do you believe in life after love" tanzen.

Was also bleibt von diesemWortwechselwahnsinn? Klar, das Stück soll aufrütteln - aber hallo; provozieren – pur; konfrontieren – krass; unterhalten – unwahrscheinlich; wirken - wenig. Ist es der Sexismus-Debatte dienlich? Darüber lässt sich streiten, aber vielleicht eher auf Augenhöhe und nicht durch gegenseitige Umerziehungs- und Vernichtungsaktionen. Es ist halt wie bei der Geschlechter-Debatte überhaupt: angeboren oder anerzogen? Die einen schreien so, die anderen anders.

Warten wir also auf Petra Hůlová nächstes Stück, ohne „Mann“ oder „Frau“, ohne Liebe und Erotik als Machtgefälle oder Abhängigkeitsverhältnis, werbend für eine Sexualität als unbändige Kraft der Fülle und schöpferische Energie oder wie es der Philosoph Andreas Weber in seinem Buch nennt: erotische Ökologie. Das wäre sexy, nur mal so als These.

 
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