Nürnberg
18.11.2019 - 15:51 Uhr

"Heideröslein" nach schrillem Beat

Ex-Rattles-Frontmann Achim Reichel begeistert im Nürnberger "Hirsch"

„Come On And Sing“ und „Zip-A-Dee-Doo-Dah“ sind Vergangenheit. Der einstige Rattles-Frontmann Achim Reichel (75) hat den Beat vergangener Tage mit einem eigenen und ganz persönlichen Sound gewechselt. Eines aber ist geblieben: Lange Ovationen des Publikums. Bild: Wolfgang Houschka
„Come On And Sing“ und „Zip-A-Dee-Doo-Dah“ sind Vergangenheit. Der einstige Rattles-Frontmann Achim Reichel (75) hat den Beat vergangener Tage mit einem eigenen und ganz persönlichen Sound gewechselt. Eines aber ist geblieben: Lange Ovationen des Publikums.

Der Mann mit dem einst schrill daherkommenden "Stoppin' In Las Vegas" singt allen Ernstes Franz Schuberts "Heideröslein". Achim Reichel, Ex-Frontmann der deutschen Rockband The Rattles sorgt dafür, dass daraus keine Lachnummer wird. Ureigener Sound seit vielen Jahren, unterhaltsam und intelligent gemacht.

Haben da wirklich einige Altrocker gedacht, dieser Achim Reichel würde sich noch einmal herbeilassen und Songs machen, die damals ihm und seinen Rattles einen Tourauftritt mit den Beatles in Deutschland bescherten? Von wegen "Zip-A-Dee-Doo-Dah", "Come On And Sing" und "Hello", wie es einst quer durch den Hamburger "Starclub" schallte und die langhaarigen Teenies in Ekstase versetzte.

Genialer Frontmann

Das war vor über einem halben Jahrhundert. The Rattles führten Hitparaden an und sie kamen 1964 auch einmal nach Neumarkt. Der Schreiber dieser Zeilen erschien als Reporter einer Schülerzeitung. Er war auch mit dabei, als die Band bei einer Veranstaltung der Jugendzeitschrift "Bravo" im italienischen Finale Ligure in die Saiten griff. Nur wegen Achim Reichel, dem genialen Frontmann.

Jetzt, im Herbst des Altrocker-Lebens, kam es zu einer weiteren Begegnung. Diesmal im Nürnberger Szenelokal "Hirsch", wo dieser Reichel zusammen mit sieben anderen Musikern auftrat. Ohne Rock 'n 'Roll und gleichwohl mit einem rau anmutenden Sound. Zum Liedermacher mutiert, der seiner hanseatischen Heimat huldigt.

Vergebliches Warten auf Töne der Rattles. Stattdessen starke Lieder wie "Fliegende Pferde" und "Wahre Liebe". Die Leute, zu Zeiten der Beat-Ära großteils noch nicht geboren, huldigen ihm. Sie singen mit bei "Steaks und Bier und Zigaretten", hören vertonte Geschichten aus dem Mund eines Mannes, dessen Haarschnitt dem ähnelt, den man ihm damals als unfreiwillig eingezogener Rekrut der Bundeswehr verpasste.

Spieler und Steuermann

Einfach nur schön, diese musikalischen Erzählungen des inzwischen 75-Jährigen. Vom Spieler, der alles setzt und arm das Casino verlässt. Vom Steuermann, der vor Buffalo auf seinem Posten bleibt und von Sansibar, dessen Insulaner-Refrain alle kennen. Franz Schubert kommt nicht nur mit dem "Heideröslein" zu Ehren. Auch "Der Mond ist aufgegangen" stammt von ihm. Gewöhnungsbedürftig für solche, die viel lieber Reichels schrillen Smash-Hit "Hello" aus dem Hamburger "Starclub" gehört hätten.

Der Höhepunkt wird bereits vor der Pause durch Achim Reichel in Szene gesetzt. Eine Version des Hans-Albers-Schlagers "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins." Kann er ihm, der hanseatischen Ikone, das Elbwasser reichen? Reichel, wie Albers längst eine Kultfigur von der Waterkant, macht daraus etwas ganz Besonderes. Lichtjahre entfernt von dem, was seinerzeit bei den Rattles über die Rampe stampfte. Gereift und keineswegs so wie der Schlick-Moder, der ebenfalls in diesem Konzert vorkommt.

 
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