Pepe Deluxe - Comix Sonix (The Orchard)
And the Grammy goes to: Pepe Deluxe. In der Kategorie, “Kreativster Soundmix”. Die Finnen machen da weiter, wo sie noch nie aufgehört hatten und mischen die Musikgeschichte zusammen (oder durcheinander) wie es ihnen gefällt. Nichts erscheint hier unmöglich, alles geht irgendwie zusammen und macht dazu noch einen Höllenspaß. Electronic, Indie-Pop, Soul, Funk, Spaghetti-Western, Soundtracks, Big-Band-Jazz, Musicals, Psyche-Rock, Choräle, Breakbeats, Trip-Hop, Scratch-Einlagen, Gospel, Bolero, Bossa-Nova, Avantgarde und was sonst nicht rechtzeitig auf dem Baum ist, wird verwurstet und dabei noch von diversen, elaborierten SängerInnen und einem ganze kuriosen Musikalienladen umgesetzt. Wir hören u.a. obskure Instrumente wie ein Wurlitzer-Klavier, das aus der Lounge eines Flugzeugs stammt, oder einem 40.000 Jahre alten Mammutknochen, der zu einer Flöte umgearbeitet wurde, ein Lithophon ("Klangstein"), den Joseph Richardson Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts konstruierte und dessen Klang bereits Königin Victoria verzauberte. Darüber hinaus spielen auch die Instrumente von Bart Hopkin wieder eine Rolle, der schon bei den vorherigen Kreationen von Pepe Deluxé einige Instrumente beisteuerte und in dessen Portfolio mehr als 100 selbst erdachte und -gebaute Instrumente zu finden sind. Genial und urkomisch!
John Grant - The Art Of The Lie (PIAS)
Der Czars-Sänger rechnet auf seinem sechsten Solo-Album mit seinen Eltern, vor allem seinem Vater ab. Trump und die bigotte, verlogene amerikanische Gesellschaft bekommen auch ihr Fett weg. Das macht er fast liebevoll, was den Vater betrifft, der Rest ist eher eine maliziöse Angelegenheit. Man muss dazu wissen, Grant ist homosexuell, seit langen HIV-positiv und hat seit seiner Kindheit darunter zu leiden. Und er ist ein schlauer Kopf und Analyst, spricht sechs Fremdsprachen, lebt inzwischen im liberalen Island – und weiß seine intelligenten, scharfzüngigen Geschichten auf vielfältige Weise zu erzählen. „All That School For Nothing“ eröffnet beispielsweise als wäre es ein vergessener Prince-Song, während eines der Bewältigungs-Lieder wie „Father“ als lockerer Lounge-Schleicher mit Computer-Bossa-Nova-Beat, Vocoder-Stimme und ein paar elektronischen Finesse noch ein wenig an das Debüt und Meisterwerk „Queen Of Denmark“ erinnert. Meisterhafte Popmusik mit viel Entdeckungspotenzial und schön grimmigen Texten.
Veigh Malow – Why (Bonkaz Rec)
Die Singer/Songwriterin aus Hamburg ist keine dieser typischen, zarten Pflanzen des Genres. Hier gibt es knackigen Indie-Pop mit starkem Rock-Einschlag der einen kritischen Blick auf die Musikindustrie bietet. Das Markenzeichen der Hanseatin ist sicherlich, dass diese Lieder oft verhalten, ja fast folkig beginnen, sich dann aber zu zupackenden, verdammt quirligen und auch tanzbaren Pop-Songs auswachsen, die eben nicht diese vorhersehbaren Wendungen nehmen. Das ist großgedachte Pop-Musik die sich vor artverwandtem wie Florence & The Machine, Olivia Rodrigo, oder Lilly Allen nicht zu verstecken braucht.
John Cale POPtical Illusion (Domino)
Keine Ahnung was in den alten Velvet-Underground-Berserker gefahren ist, mit über 80 Jahren bringt er gleich zwei Alben binnen eines Jahres heraus. Auf das eher dystopisch und üppige folgt nun das vorsichtig-optimistische und minimalistische. Mit "POP-Musik", wie der Titel groß verkündet, haben beide wenig gemein. Cale bleibt sich natürlich treu, wenngleich hier wirklich recht sanfte Töne („Calling You Out“), neben industriellem Indie-Rock („Shark Shark“) stehen. Als Begleitung dienen lediglich Dustin Boyer (Gitarre) und Nita Scott (Programming, Samples, Keyboards, Noises, Drums), des Meisters Stimme folgt geschmeidig, wenn auch gealtert, den Melodien, grätscht aber auch gerne mal dazwischen. Ein weises Alterswerk, das seine gesamte Schaffensperiode porträtiert.
Madeleine Peyroux - Let's Walk (Thirty Tigers)
Bekannt geworden ist die Sängerin vor allem durch ihre Interpretationen von Blues- und Jazz-Standards als auch anderer Lieddichter wie Allen Toussaint, Linton Kwesi Johnson, Hank Williams, Bob Dylan, Tom Waits oder Leonard Cohen. Wie dieses Album zeigt, ist sie aber auch eine hervorragende Songwriterin, wurden doch alle Lieder von Ihr und Jon Herington (Steely Dan-Gitarrist) geschrieben. Das Spektrum reicht vom Folk (natürlich) bis zum Blues, Jazz, Gospel, R'n'B, Kammer-Pop, Americana und lateinamerikanischen Rhythmen. Die Texte sind humoristisch („Me And The Mosquito“), widmen sich aber meist ernsten Themen wie Bürgerrechten, sexuellen Übergriffen, den Morden an George Floyd, Breonna Taylor und Ahmaud Arbery. „Please Come Inside“ bietet darüber hinaus ein Wiederhören mit der durch Peter Frampton berühmt gewordenen Talkbox.
BADBADNOTGOOD - Mid Spiral: Chaos, Order, Growth (XL)
Das kanadische Trio, bestehend aus Al Sow, Chester Hansen und Leland Whitty lud sich ein paar weitere Gäste aus Toronto und andernorts ins Studio um ihre Vision von Jazz möglichst farbig und vielfältig umzusetzen. Herausgekommen ist instrumenteller Wohlfühlmix aus modernem Jazz, viel Funk- und Soul-Elementen, ein wenig Hip-Hop und Psychedelia. Sparsam eingesetzte Bläser und Tasteninstrumente bilden die Kirsche auf der eher in den späten 70ern angesiedelten Sahnetorte
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