Loma – How Will I Live Without a Body? (Cargo)
Sängerin Emily Cross hat Multiinstrumentalist und Tontechniker Dan Duszynski und den Shearwater-Maestro, Autor und Instrumentalist Jonathan Meiburg nach Dorset in eine ehemaligen Sargmacherwerkstatt geladen, um das neue Loma-Album einzuspielen. Das mit dem Sarg sei nur erwähnt, weil diese elf Songs, die Partnerschaft, Verlust, Regeneration und den Kampf gegen das Gefühl, dass wir alle allein dastehen, verhandeln, nicht gerade die fröhlichsten sind. Aber Loma standen ja schon immer für die eher dunklen Zeiten des Tages. Emily Cross' fragile, traurige Stimme bestimmt das Szenario, die Musik schreitet im Lokomotiven-Rhythmus („Arrhythmia“) mal flott voran, igelt sich aber lieber in zarten Balladen („Unbraiding“) ein, um hier markante Akzente zu setzen, die auch Bläser und Streicher zitieren. Bei den Kompositionen wurde Loma durch Laurie Anderson inspiriert, die der Band die Möglichkeit bot, mit einer einzigartigen KI zu arbeiten, die an Lauries Arbeit geschult war. Ein interessanter Ansatz, der sich zu verfolgen lohnt.
Abigail Lapell – Anniversary (Outside Music)
Die kanadische Singer/Songwriterin hat sich bei ihrem fünften Album unter die Fittiche von Tony Dekker (Great Lake Swimmers) begeben. Der ist auch für den ganz eigenen Klang dieser Platte verantwortlich, wurde sie doch in einer alten Kirche aufgenommen. Den puristischen Folk hat Lapell in Richtung Indie-Pop und Americana erweitert und mit Gästen wie Rachel Cordiello (Viola), Michael Davidson (Marimba, Vibraphon) und Rebecca Hennessy (Trompete) angereichert. „Rattlesnake“, gespielt mit Resonatorgitarre und Chorgesang hat dann den Blues, das folgende „Blue Blaze“ suhlt sich in herzzerreißendem Country, „Someone Like You“ ist purer folky Singer/Songwriter-Stoff der James-Taylor-Liga, wobei Lapell frappierende Ähnlichkeiten mit einer ganz anderen des Genres aufweist: Natalie Merchant ist gemeint.
Cults – To The Ghosts (Virgin)
Das New Yorker Duo, bestehend aus den Multiinstrumentalisten Madeline Follin und Brian Oblivion, sind vor allem ein Spotify- und Tiktok-Phänomen, wo die beiden phänomenale Aufmerksamkeit erzielen. Dabei ist der Indie-Pop der beiden alles andere als aufregend oder einzigartig. Madeline hat diese arg süße Kleinmädchen-Stimme, die zwar bei Titeln wie „Eat It Cold“ einen spannenden Kontrast zu den dunkel-bedrohlichen Tönen bildet, ansonsten einfach eine Spur zu „nett“ klingt. Das ist alles clever gemacht, nie wird etwas wirklich zu laut (oder zu leise), die Arrangements sind auf Hochglanz gebürstet und vielleicht erklärt sich ja dadurch der massive Hype um dieses „nette“ Duo.
Jon Muq – Flying Away (Universal)
Da kommt einer aus den ugandischen Slums, schafft es dort, zumindest als Straßenmusiker zu überleben, wird von einer Kreuzfahrtfirma als Schiffsunterhalter entdeckt, landet so nach Jahren der „Lehre“ in Austin, TX –und gerät unter die Fittiche von Dan Auerbach. Das Märchen „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ könnte nicht wahrer sein als diese Lebensgeschichte. Jon Muq hat es zwar noch nicht geschafft, ist dies hier doch erst sein Debüt, aber wenn die Sterne es weiterhin gut mit ihm meinen, sollte einer Karriere nichts im Wege stehen. Seine Geschichten sind ehrlich, handeln von seinem bisherigen Leben, seinen Wünschen und (natürlich) auch der Liebe. Verpackt in einen lockeren Mix aus Highlife Music, Afro-Pop, Soul und Folk ist es auch die angenehm natürliche Stimme, die dieses Debüt schon jetzt zu einem zeitlosen Klassiker macht.
Richard Thompson – Ship To Shore (Bertus)
Der Träger des OBE (Order of the British Empire) zählt zu den wichtigsten britischen Musikern überhaupt und kann in einem Atemzug mit den Stones, den Beatles oder Elton John genannt werden, wenn er auch nie deren Popularität erreichte. Gestartet in den frühen 60er Jahren als Pionier des britischen Folk-Rock mit Fairport Convention, danach seine Duoarbeit mit Ehefrau Linda Thompson in den 70er Jahren bis hin zu seiner weit über 30-jährigen Solo-Karriere. Die Los Angeles Times nannte ihn „den besten Rock-Songwriter nach Dylan und den besten E-Gitarristen seit Hendrix“ und der "Rolling Stone" zählte ihn zu den 100 besten Gitarristen aller Zeiten. Er wurde von den BBC Radio 2 Awards und der Americana Music Association für sein Lebenswerk ausgezeichnet und erhielt den prestigeträchtigen Ivor Novello Award. Sein Song „1952 Vincent Black Lightning“ wurde vom "Time Magazine" zu einem der „100 Greatest Songs Since 1923“ ernannt. Eine Vielzahl von Musikern hat Thompsons Songs aufgenommen, darunter Robert Plant, Elvis Costello, R.E.M., Sleater-Kinney, Del McCoury, Bonnie Raitt, Tom Jones, David Byrne, Don Henley, Los Lobos und viele mehr.
Dabei hat der Meister seinen Stil meist nur marginal modifiziert, ist sich stets treu geblieben, allen Modernismen zum Trotz. So mischen sich auch hier Irish- und English Folk mit Jazz- und Rock-Elementen, werden am Rande auch Country-Sprenkel mit eingewoben. Das hat dann oft etwas von mittelalterlichen Balladen und Bänkelsängern, denn auch Thompson ist ein scharfzüngiger wie humoristischer Beobachter und Zeitzeuge. Und wer hören möchte, wie sich ein Dire-Straits-Song im Thompson-Style anhören würde, sollte „Trust“ auflegen.
Tilo Weber – Five Fauns (Malletmuse Rec)
Der mit dem “Deutschen Jazzpreis“ geehrte Berliner Schlagzeuger und Komponist hat sein Quartett um die Sopranistin Almut Kühne erweitert, die er Lyrik des Hohelieds, einer Sammlung christlicher Liebeslieder des Alten Testaments, intonieren lässt. Das ist aber auch gar nicht so wichtig, liegt der Fokus doch nicht auf den Geschichten, denn auf der Raffinesse der Musik, des Klangs und den vielschichtigen Arrangements. Weber experimentiert (auch mit der Stimme) und tariert unterschiedliche Kombinationen von Jazz mit Renaissance- oder Kammermusik aus. Das machen nicht viele und daher klingt diese Platte auch so spannend.
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