Rosie Lowe Lover, Other (PIAS)
Die britische Singer/Songwriterin mit einem verwirrend-schönen dritten Album. Thematisiert wird die innere Zerrissenheit, die Sinnsuche einer feministisch, emanzipatorisch geprägten Frau. Und etwas zerrissen oder besser vielschichtig ist auch die Musik zu diesen persönlichen Geschichten. Es beginnt mit einer Art kurzem Gebet („Sundown“), geht dann in eine Meditation mit stoischem Rhythmus über („Mood To Make Love“), nimmt mit markantem Schlagzeug erstmals eine Vorfreude von Soul im flotten „In My Head“ auf, probiert mit verschachtelten Break-Beats und verfremdeten Vocals modernen RnB aus („Bezerk“), bevor der Schleicher, „There Goes The Light“ die ganze Hektik wieder einfängt und smoothes Soul-Feeling verbreitet. Nach fünfzehn Lieder ist mit einer Reprise des Eröffnungsgebetes und wohligen Gospel-Chören Schluss und man ist froh zugehört zu haben.
Fontaines D.C. – Romance (XL Recordings)
Man hat hierzulande gar nicht so richtig mitbekommen, dass die Iren "International Group of the Year" bei den BRIT Awards 2023 geworden sind und ihr letztes Album in UK als auch zuhause Platz 1 der Charts erreichte. Dabei haben wir es hier nicht mit dem üblichen Mainstream-Rock oder -Pop zu tun, die Fontaines mischen vielmehr einen Kessel Buntes auf. Die Basis, gerne ein ordentlich zupackender Post-Punk wird um starke Elemente des Shoegaze angereichert, verarbeitet aber auch Heavy Metal, Grunge, Folk, Rap und Hip-Hop hin zu einem nach vielen Seiten offenen Indie-Rock, der durchaus auch für die Stadien dieser Welt konzipiert wurde.
Über den Titel des Albums sagt Sänger Conor Deegan: "Wir hatten schon immer diesen Sinn für Idealismus und Romantik. Jedes Album entfernt sich weiter von der Betrachtung dieser Dinge durch die Linse Irlands, so direkt wie das (für den Mercury-Preis nominierte) Debüt „Dogrel“. Das zweite Album (das für den Grammy nominierte „A Hero's Death“) handelt von dieser Distanzierung, und das dritte („Skinty Fia“) handelt vom Irischsein, das in der Diaspora verlagert wurde. Jetzt schauen wir, wo und was es sonst noch romantisch zu sein gibt."
Dave Guy – Ruby (Cargo)
Dave Guy spielt Trompete, vorwiegend für The Roots. Dann ist er aber auch gern gesehener Gast bei Kollegen wie Amy Winehouse, Lizzo, Pharrell oder Sharon Jones. Jetzt begibt er sich erstmals auf Solo-Pfade und hat hier ein zeitloses Jazz-Instrumentalalbum eingespielt -mit der Trompete im Zentrum. Er streift Latin Rhythmen, bemüht den Bee-Bop und hat auch keine Berührungsängste vor ein paar elektronischen Einlagen. „Ruby“ mischt Dave Guys musikalische Einflüsse mit der Energie der Stadt, in der er aufgewachsen ist, fängt verschiedene Stimmungen ein und lädt den Hörer in die Welt ein, wie er sie sieht und fühlt. Das Album wurde in Queens in der legendären Diamond Mine aufgenommen, von Homer Steinweiss und Nick Movshon produziert und enthält musikalische Beiträge von Leon Michels, Marco Benevento, Claire Cottrill und anderen.
Efterklang - Things We Have In Common (City Slang)
Gründungsmitglied Rune Mølgaard ist nach seiner spirituellen Auszeit bei den Mormonen zur Band zurückgekehrt und hat auch gleich die Mehrzahl der Songs beigesteuert. Auch wenn diese Lieder von einer gewissen Gläubigkeit oder besser Ehrfurcht durchdrungen sind, ist es kein christliches Erweckungsalbum geworden. Die dänischen Klangreisenden haben neben einem Mädchenchor Kollegen wie Zach Condon von Beirut, den finnische Schlagzeuger Tatu Rönkkö, den venezolanische Gitarrist Hector Tosta und die guatemaltekische Cellistin und Sängerin Mabe Fratti eingeladen und einmal mehr einen üppigen Klangkosmos erschaffen. Es hat himmlische Hymnen die in ihrer Opulenz locker mit denen von Elbow mithalten können und es hat zartere Pflänzchen wie „Getting Reminders“ die mit ein wenig Akustikgitarre, schwelgenden Chören und einem sehnsüchtigen Trompeten-Intermezzo auskommen. Und es kann auch mal ganz fiese Gitarren wie in „Ambulance“ haben, die sich dann ganz plötzlich im Nichts auflösen. Zwanzig Jahre Wohlklang, zwanzig Jahre Überraschungen, zwanzig Jahre Elfterklang.
April June - Baby's Out Of Luck Again (Nettwerk)
Die in Madrid ansässige Singer-Songwriterin absolvierte in New York ein Film-Studium. Da kam ihr die Idee, sich nicht von anderen Musikerkollegen sondernd von Filmen zu ihren Songs anregen zu lassen. Wir hören hier also imaginäre Dream-Pop-Soundtracks. "Sweeter Than Drugs" ist z.B. von David Lynchs "Wild At Heart" inspiriert. "Starstruck" von Tony Scotts "True Romance", "Pretty Like A Rockstar von der Netflix-Serie "Pamela, A Love Story", "Baby's Out Of Luck" hingegen geht auf Eric Roehmers "My Night At Maud's" zurück, während "Carry You On My Broken Wings" auf Gangster-Dramen wie "The Sopranos" oder "Goodfellas" basiert. Ist nicht wirklich wichtig, aber ein interessanter Ansatz um diesen Liedern nahe zu kommen.
Mermaid Chunky - Slif Slaf Slof (Cargo)
Wer meint, schon alles gehört zu haben, sollte sich mal das Künstlerinnen-Duo Freya Tate und Moina Moin aus London gönnen. Die Beiden experimentieren was das Zeug hält und die meisten der verwendeten „Klangerzeuger“ wird man nicht einmal identifizieren können. Mit dabei jedenfalls diverse analoge wie digitale Tasten, Orgeln, Blockflöten, Saxophone, Klarinetten, Bass, Schlagzeug. Gitarren, komische Chöre und Spoken Word Performances, ein Arsenal an Perkussion und weiß der Kuckuck was. In eine Genre-Schublade passen diese exotischen Sounds und Melodien auch nicht, Vergleichbares: Fehlanzeige, man könnte es mal mit komplett durchgeknallten Foyers Des Art probieren. Aber: es macht Zusehens Spaß, diesen krummen Liedern zuzuhören, sich auf diese Expeditionsreise in unbekannte Klang-Galaxien ein- und treiben zu lassen. Und auf des trippige „Chaperone“ kann man sogar den Rave tanzen.
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