The Hard Quartet - The Hard Quartet (Beggars)
Matador proudly presents: die neue Supergroup des Indie-Rocks. Und ja, so ungewöhnlich diese Zusammenstellung auch sein mag, das Ergebnis überzeugt. Zumindest wenn man die Kinks schon immer sehr geschätzt hat, denn die Frühsechziger Rock-Institution hat hier merklich ihre Spuren hinterlassen. The Kinks 2024 würden also klingen als würden Stephen Malkmus, Matt Sweeney, Jim White und Emmett Kelly zusammen musizieren -und noch die Byrds mit ins Studio holen. Malkmus ist der wohl bekannteste im Quartett, Pavement, The Jicks, Silver Jews, Straw Dogs waren seine Stationen und auch als Solist hat er bereits seine Meriten gesammelt. Sweeney ist ebenfalls ein wohlgelittener Singer/Songwriter, arbeitete aber auch schon mit Guided By Voices, Cat Power oder Johnny Cash. Herr White ist der Prügelknabe von Dirty Three und lebt das vor allem auf dem brachialen „Ausrutscher“ „Renegade“ ordentlich aus. Das Nesthäkchen ist Emmett Kelly von der Cairo Gang, der aber auch im Umfeld von Will Oldham, Ty Segall, Azita und vielen weiteren gesichtet wurde. Die Chemie scheint zu funktionieren auch wenn dabei „nur“ zwölf melodieverwöhnte Songs herausgekommen sind.
Scott Matthew - A Small Conduit Of Great Affairs (Glitterhouse)
Der Singer/Songwriter mit der fragilen, leidenden, ja barmenden Falsett-Stimme hat selbige verloren, b.z.w. wusste einfach nicht mehr weiter, wollte das Handwerk an den Nagel hängen. Dann inspirierte ihn die Leidenschaft seines Publikums doch dazu, weiter zu machen. „A Small Conduit Of Great Affairs” ist eine Art Zugeständnis, es noch einmal zu versuchen, denn es enthält keine neuen Eigenkompositionen, Matthews huldigt einmal mehr seinen „Helden“, Lieblingsliedern und Inspiratoren. In den minimalischen Folk-Adaptionen erkennt man dabei die Originale kaum mehr, umso interessanter gestaltet sich das Hörerlebnis. Und es sind Lieder dabei, die man nicht erwartet hätte, so z.B. "All The Lovers" von Kylie Minogue, "Live It Up" von Mental As Anything oder „Only Girl In The Worl“ von Rihanna. Mit Dylans „If Not For You“, Sias „Eye Of The Needle” oder Boz Scaggs “We Are All Alone” konnte man eher rechnen.
Blaudzun – Latter Days (Pop-Up)
Keine Ahnung was uns Johannes Sigmond mit dem Artwork seines siebten Albums sagen möchte, schön ist es nicht, dafür rätselhaft. Als Hinweis auf seine Texte taugt es jedenfalls nicht, denn die sind wenig kryptisch, auch wenn er sich -wie in „Bonfire“- durchaus an Metaphern schadlos hält. „Latter Days“ ist „eine emotionale Reise durch Isolation, Frustration und taucht tief in die Suche nach Sinn und Veränderung ein. Die Songs reflektieren das Streben nach Befreiung von der Vergangenheit, die Suche nach Neuem und die Auseinandersetzung mit persönlichen und existenziellen Herausforderungen, während sie gleichzeitig eine Mischung aus Nostalgie, Abenteuerlust und Hoffnung für die Zukunft vereinen“, so die Label-Info. Klingt etwas verkopft und abstrakt, klingt aber nach eingängigem Indie-Pop, der mal eher rockig, mal eher folkig, mal ein wenig nach Post-Wave klingt oder auch mal ein wenig streicherverziert daherkommt. Meist schimmern diese Songs dunkel und melancholisch, klingen fast ein wenig bedrohlich. Am Ende, im „Summer Song“ und beim wunderschönen „Dreamers“ machen Blaudzun aber dann das Fenster auf und sie Sonne schein herein.
My Brightest Diamond - Fight The Real Terror (Cargo)
Starker Tobak den uns die Multiinstrumentalistin Shara Nova hier gleich im Titelsong auftischt. Die klassisch ausgebildete Sängerin zeigt hier ihr ganzes Können, legt ihre Glas-brechende Stimme aber in einen dystopisch-queren Song. Und auch das folgende Material fordert die Zuhörer, ist Punk-gesättigter Avantgarde-Rock, der die Kraft und Wucht früher Patti Smith Kompositionen hat. Bei zarten, minimalistischen Balladen wie „Even Warriors“ kann man sich dann vorstellen, dass die Künstlerin auch schon mit Sufjan Stevens oder Aaron Dessner zusammengearbeitet hat, die Bedrohlichkeit indes bleibt, die fast schon schmerzende Stimme ebenfalls.
Wayne Graham – Bastion (Thirty Tigers)
Einen Wayne Graham gibt es sicherlich irgendwo, hier stecken aber die Brüder Kenny und Hayden Miles sowie José Oreta und der in Deutschland lebende Instrumentalist Ludwig Bauer dahinter. Die Band aus Kentucky ist einer dieser seltenen, meist leider am Rande der Popularität agierenden Geheimtipps, die die Musiklandschaft so reicht macht -wenn man sie denn kennenlernt. „We Coulda Be Friend“ eröffnet den nie langweiligen Soundreigen als eine Art psychedelischen Dance-Song für die Ü60-Generation. Mit „The Patsy“ folgt ein Instrumental in bester Dave Brubeck (!) Manier. „All The Way“ kann sich dann nicht zwischen Wilco und Phish entscheiden, das simple, folkige „I Had Plans“ könnte auch einem Jackson Browne eingefallen sein, wäre da nicht diese bezaubernde Klarinette. „A Silent Prayer“ verzaubert durch seine verschlungenen Gitarren-Figuren, in „Enemy`s Camp“ erklingt ein Vibraphon und kuschelt mit der Akustikklampfe, was man in „Swinging Round“ hört, ist wohl eine singende Säge bevor man mit Klavier und einem akzentuierten Schlagzeug in einen Grateful Dead-inspirierten Folk-Rock Jam stolpert. Wer Zeit hat und lange Autofahrten liebt, sollte sich diese Jungs beim Rolling Stone Weekender im November am Weißenhäuser Strand ansehen. Ist eh das beste Festival des Jahres.
Dawn Richard and Spencer Zahn - Quiet in a World Full of Noise (Cargo)
Der Titel ist super, passt er doch wunderbar zu dieser Musik und auch zum trüben Spätherbstwetter. Dawn Richard, eine in New Orleans aufgewachsene Visionärin, hat eine unwahrscheinliche Reise vom Reality-Fernsehen der späten 2000er Jahre und Mainstream-Pop mit der Girlgroup Danity Kane hinter sich, um eine der produktivsten, experimentellsten und sichtbarsten Indie-R&B-Singer-Songwriterin der letzten anderthalb Jahrzehnte zu werden. Spencer Zahn ist ein an der Ostküste aufgewachsener Multiinstrumentalist und Komponist, der an den Schnittstellen von Jazz, Americana, Klassik und Ambient-Pop arbeitet. Gemeinsam gelingen hier atmosphärisch dichte, sanft fließende Kompositionen in deren Zentrum immer Stimme und Flügel stehen. Streicher, Bläser, das Orchester sind Zierrat, der für Abwechslung sorgt, aber nicht wirklich von Nöten ist. Richard hat einen gewaltigen Stimmenumfang und kostet diesen von der Spoken Word Performance bis zur ausgiebigen Jazz-Phrasierung voll aus, während Zahn ein begnadeter Ambient-Zauberer ist, der es versteht ausgefuchste Arrangements zu bauen, die die Stille hörbar machen.
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