Good Looks - Lived Here For A While (Cargo)
Es gibt ihn noch, den guten alten Indie-Rock aus den 80ern, wo der Begriff noch für Werte und eine Haltung stand – und für R.O.C.K. Die Texaner sind hier würdige Vertreter, verschmelzen sie doch ungehobelte Punkt-Attitüde mit griffigem Heartland-Rock. Und das machen sie verdammt charmant und mit großer Empathie. Die Liebe, das Leben, das Heranwachsen werden verhandelt und für all diese Themen haben sie verdammt gute Melodien und knackige Gitarren-Riffs im Gepäck. Das ist hier nicht selbstverständlich, denn ihr Gitarrist Jake Ames hatte einen schweren Autounfall, der ihn fast das Leben gekostet hätte. Irgendwann später gab es dann tatsächlich noch einen weiteren, wo der Wagen in Flammen aufging, die Band aber unverletzt blieb. Die Replacements, aber auch die frühen R.E.M. sind hier Pate gestanden, War On Drugs sollten sich warm anziehen.
Nathaniel Rateliff and the Night Sweats - South Of Here (Stax)
Mit seinem Septett, den Night Sweats, hat sich Rateliff vor bald zehn Jahren vom Folk verabschiedet (nur „Center Of Me“ hängt noch den alten Zeiten nach) und sich dem Soul zugewandt. Die aktuelle Platte erscheint nicht umsonst auf Stax-Records. Nun ist der Soul des Cowboys aus Colorado nicht der Soul der Schwarzen aus dem Süden, viel Americana und auch Country schwingt hier mit, das Titelstück ist der beste Beweis dafür, wo Rateliff Bruce Springsteen mit Tom Petty zusammenbringt. Es sind dann aber doch eher die Bläser-verstärkten Stücke wie „Get Used To The Night“ oder „Cars In The Desert“ wo die raspelnde Stimme vor Empathie glüht und die Band aufspielt als gäbe es kein Morgen. „South Of Here” kann man schon jetzt als Klassiker bezeichnen, dem wohl noch ein paar weitere folgen werden, denn bis dato hat der Mann nur Erstklassige komponiert.
Brijean – Macro (Cargo)
Seit ihrem Debüt als Brijean hat sich das Projekt der Schlagzeugerin/Singer-Songwriterin Brijean Murphy (der perkussive Herzschlag für Live-Bands wie Mitski, Poolside und Toro y Moi) und des Multiinstrumentalisten/Produzenten Doug Stuart mit Einfallsreichtum bewegt und Psych-Pop-Abstraktion mit Dancefloor-Sensibilität verschmolzen. Dieses Mal holte sich die Band verschiedene Gastmusiker in ihr Wohnzimmer in LA, mit dabei sind u.a. Chris Cohen und Khruangbins "DJ" Johnson Jr. Und ein wenig nach den texanischen Instrumentalisten, gemischt mit Stereolab klingt diese Platte auch. Diese Melodien sind extrem entspannt, schon fast Lounge-artig, wenn Latin-Jazz auf Folk und psychedelischen Art-Pop trifft. Es flirrt und groovt, dazu hat es Flöten und Streicher, die den Sound galaktisch abheben lassen. Kosmisch.
Kiasmos – II (Erased Tapes)
Der isländische Komponisten Ólafur Arnalds und der färöische Musikers Janus Rasmussen haben viel Zeit. Ganze zehn Jahre brauchten sie für den Nachfolger zum Debüt. Mit „II“ wird man erneut auf einen entspannten Electro-Trip aus Minimal-Techno, Ambient und moderner Klassik eingeladen. Viel Klavier mischt sich hier mit elektronischen Beats, flächigen Synthies, Drum-Computern und elegischen Streichereinheiten zu einem ganz untypischen, fast schon organischen Rave-Sound. Hyper-Hyper muss hier etwas anders buchstabiert werden.
Evelinn Trouble – Season Indicators (Mouthwatering Records)
Die Trägerin des Schweizer Musikpreises und ehemalige Background Sängerin von Sophie Hunger mit ihrem schon sechsten Album. Und wer die Künstlerin noch nicht kennt, sollte jetzt hellhörig werden, bildet das Gerüst dieser Songs doch der sich über zehn Jahre angehäufte „Abfall“ ihrer Hard Disk. Keine Ahnung was passiert, wenn die Multiinstrumentalistin und Produzentin sich erst mal richtig ans Komponieren macht, denn was hier stimmgewaltig und emphatisch überzeugend vorgetragen wird ist feinste Sahne. Sofort ins Ohr geht diese angenehme, direkte, warme, variable (Sie kann sogar Chansons singen) und doch kräftige Stimme. Dazu gibt es Melodien aus dem weiten Feld zwischen Post-Wave, Electro, Indie-Rock & -Pop, bis hin zum orchestralen Großwerk „Jamais“ oder der schon fast Kammer-Folk-artigen, minimalistischen Skizze, „My Eyes Are Windows“, die von den späten 80ern bis ins Jetzt reichen, von Annabell Lamb über PJ Harvey bis zu St. Vincent, Fiona Apple oder Torres. Schon eine Perle.
Apifera - Keep The Outside Open (Stones Throw)
Diese israelische Combo ist vieles, vor allem aber ziemlich durchgeknallt. In der Nähe wird ja der Rote Libanese gewonnen und von irgendwoher müssen die Jungs auch noch an Meskalin gekommen sein. Diese vorwiegend instrumental gehaltenen Songs vereint ein jazziger Background, ansonsten darf es schwer psychedelisch Schwurbeln. Amon Düül II, Ozrik Tentacles, Steve Hillage und Gong kommen einem in den Sinn, bis dann plötzlich bei der „SandBox Galore“ cooler Street Funk aus den Boxen perlt, bei „Evergreen Meadows“ akustische Folk-Gitarren die dichten Tasten-Teppiche ablösen oder sich in „The Curious Wild“ Real Estate und Tortoise die Hände reichen. Man kann kaum glauben, dass diese bunt schillernder Platte von einer Kapelle allein stammen soll. Von diesem multikulturellen, offenen Ansatz könnte sich Herr Netanjahu mal ne Scheibe abschneiden.
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