Wie der Klimawandel die Oberpfalz verändern wird

Oberpfalz
21.03.2022 - 18:26 Uhr
OnetzPlus

In den kommenden 50 Jahren wird die Temperatur in der Oberpfalz steigen. Was das für Oberpfälzer Landwirte, Gärtner oder Hausbesitzer bedeutet - und für die Gesundheit der Menschen.

In einem Szenario ohne Klimaschutz steigt die mittlere Jahrestemperatur in der Oberpfalz im Median bis 2050 um 1,4 Grad. Mit moderatem Klimaschutz wird es bis 2050 um 1,2 Grad wärmer. Mit viel Klimaschutz würde es bis 2050 im Median um 1 Grad wärmer. Von den drei Szenarien ausgehend: Müssen wir uns auf das Schlimmste gefasst machen?

Ja, sagt Dr. Sebastian Bathiany, wissenschaftlicher Mitarbeiter am deutschen „Climate Service Center“: „Wenn ich die Zahlen und die bisherigen Erfolgen der Klimapolitik betrachte, dann steuern wir gerade das maximal pessimistische Szenario an.“ Nur, wenn wir es schafften, die politischen Ziele wie Emissionsminderung gemäß dem Pariser Klimaabkommen zu erreichen, könnten wir beim mittleren Szenario landen. „Nur im optimistischsten Szenario landen wir bei unter 2 Grad. Und 1,5 Grad mehr sind jetzt schon sicher.“ Auch das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) warnt: Zum Ende des 21. Jahrhunderts werden insbesondere im Szenario „ohne Klimaschutz“ noch größere Veränderungen der klimatischen Kennwerte hinsichtlich Häufigkeit und Intensität erwartet.

Müssen sich die Oberpfälzer auf Starkregen vorbereiten?

Ja. „In der Oberpfalz lässt sich bereits heute eine Zunahme von Starkregen beobachten. Auch in Zukunft könnten Starkregenereignisse häufiger und intensiver auftreten“, so ein LfU-Sprecher. Die Ursache: Bei höheren Temperaturen verdunstet mehr Wasser. In Folge steigt der Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre und Niederschläge fallen intensiver aus.

Der Deutsche Wetterdienst definiert „Starkregen“ als Niederschlag mit ungewöhnlich hoher Intensität – zum Beispiel mehr als 25 Millimeter in einer Stunde – oder 35 Millimeter in 6 Stunden. Zum Vergleich: Im gesamten Oktober 2021 regnete es in Weiden genau 33,3 Millimeter. Wo genau in der Oberpfalz Starkregen wahrscheinlicher ist als anderswo, darüber kann auch das LfU keine belastbaren Aussagen treffen.

Wird es – abgesehen vom Starkregen – ansonsten weniger Regen geben?

Ja. Laut dem Kurzbericht Starkregen der Kooperation „Kliwa“ (Klimaveränderungen und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft) wird es künftig zwar deutschlandweit mehr Starkregen geben, gleichzeitig werden die schwächeren und mittleren Regenfälle aber abnehmen. Damit kann sich, das bestätigt auch das LfU, die Hochwasser- und gleichzeitig auch die Niedrigwassersituation in der Oberpfalz verschärfen. Laut dem „Kliwa“-Kurzbericht kommt erschwerend hinzu, dass sich bereits in der Vergangenheit eine höhere Verweildauer der Wetterlagen eingestellt habe. Das könnte also bedeuten: Starkregen hält künftig noch länger an als in der Vergangenheit.

Welche Auswirkungen hat das auf unsere Gesundheit?

Das Risiko für Herzinfarkte nimmt durch die Hitze zu. "Besonders anfällig sind Patienten mit Vorerkrankungen - zum Beispiel Bluthochdruck oder Diabetes mellitus", sagt Professor Christoph Birner, Chefarzt für Innere Medizin am Klinikum St. Marien Amberg. Er erklärt, wie sich die Hitze auf den Körper auswirkt: So beeinflusse Hitze zum Beispiel den Schlaf – und Schlafstörungen erhöhen das Infarktrisiko. Auch durch vermehrtes Schwitzen werde das Blut zähflüssiger und das Risiko steige. Birner spricht auch von "Begleiteffekten" des Klimawandels – wie erhöhte Waldbrandgefahr und damit mehr Feinstaub - die das Risiko, an einer Herzkreislauferkrankung zu sterben, signifikant erhöhen. Zusätzlich gebe es auch Hinweise auf die Zunahme von Infektionskrankheiten, Allergien oder Nierenerkrankungen.

Müssen sich die Landwirte auf vollkommen neue Pflanzen einstellen?

Nein. Alle landwirtschaftlich relevanten Pflanzen – und auch Tiere werden auch in 30 oder 80 Jahren in der Oberpfalz leben können, prognostiziert Anette Freibauer vom Institut für Agrarökologie und Biologischen Landbau an der Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Viele von den relevanten Pflanzen wie beispielsweise Mais würden ohnehin bis in die Subtropen angebaut. Neue Nutzpflanzen, die mehr Wärme brauchen, werden aber hinzukommen, so Freibauer. Das beste Beispiel für einen solchen „Gewinner“ des Klimawandels: Soja, das bereits erfolgreich auch in Südostbayern angekommen ist. Auch mit Hirse und Kichererbsen gebe es erste Anbauversuche. „Das ist aber wirklich noch im Bereich der Experimente.“ Dass es in 50 Jahren im Kreis Regensburg tatsächlich eine Erdnussernte geben könnte, hält Klaus Fleißner vom LfL aber für durchaus realistisch.

Könnte es Orangen aus der Oberpfalz geben?

Nein, sagt Anette Freibauer. „Orangen traue ich die nötige Frosthärte nicht zu – aber Agroforst, also Bäume auf dem Acker oder im Grünland, als Reihen, als Beschattung könnten deutlich attraktiver werden.“ Bisher habe der Klimawandel vor allem bewirkt, dass das Frühjahr eher beginne und der Herbst minimal später ende. Zwar werde es höchstwahrscheinlich im Winter weniger Frost geben was für die Landwirte konkret bedeutet, dass Schädlinge eher überleben. „Die Frostgefahr bis Ende Mai ist aber gleich geblieben und wird auch in Zukunftsszenarien erhalten bleiben“, sagt Freibauer. „Für die Klimaprognosen kann man sich an Rumänien orientieren.“ Das bedeutet also: Höchstwahrscheinlich keine Orangen aus der Oberpfalz.

Was wird die größte Herausforderung für die Landwirtschaft?

„Die häufigeren und stärkeren Starkregen“, sagt Freibauer. Denn die erhöhten die Erosionsgefahr. Nur Böden mit einer guten Bedeckung, stabilen Bodenkrümeln und guter Struktur seien in der Lage, den Niederschlag tatsächlich aufzunehmen und für die Pflanzen zu speichern. Die besten Ackerböden, also Lössböden, von denen es auch in der Oberpfalz einige gebe, seien dabei allerdings am empfindlichsten, was Erosion anginge. Dazu komme, dass die Niederschläge werden erratischer würden: Mehr im Winter, weniger im Sommer.

Wie stecken die Forellen und Karpfen in den Nordoberpfälzer Teichen die Klimaerwärmung weg?

Wärmeres Wasser bedeutet weniger Sauerstoff im Teich. „Für die Teichwirte bedeutet das, dass sie sich noch mehr um die Belüftung der Teiche im Sommer kümmern müssen - zum Beispiel mit Sprudlern, wie sie bereits heute benutzt werden“, sagt Freibauer.

Und die Tiere im Wald?

"Das Spektrum der Arten wird sich verschieben", sagt Stefan Bösl von den Staatsforsten in Flossenbürg. Insekten, die auf Baumarten angewiesen sind, die es dann nicht mehr geben wird, werden aussterben. Bösl rechnet aber damit, dass dafür neue Tiere den Wald besiedeln.

Wie wird sich der Oberpfälzer Wald in den nächsten Jahrzehnten verändern?

„Wir sind keine Hellseher, aber wir versuchen uns auf die verschiedenen Szenarien vorzubereiten“, sagt Stefan Bösl. „Wir erwarten, dass das Risiko bei bestimmten Baumarten höher wird – zum Beispiel bei der Fichte, die heute prägend im Oberpfälzer Wald ist. Auf Dauer wird sie nicht überlebensfähig sein.“ Die Staatsforsten setzen für die Zukunft vor allem auf Eiche, Buche, Kiefer und Douglasie. Verschwinden, so Bösl, werden wahrscheinlich einige Flechten und Farne, die sich in nordisch schattig-feuchten Umgebungen wohlfühlen.

Was bedeutet das für alle Hobby-Gärtner?

"Alles was viel Wasser braucht, kommt ohne Zusatzbewässerung immer schlechter aus", sagt Marianne Scheu-Helgert von der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau. Besonders Rhododendren, Thujen oder Rittersporn werden ohne zusätzliche Bewässerung in der Oberpfalz schlechter gedeihen. Große Chancen sieht sie in der winterlichen Nutzung des Gemüsegartens: "Das 'Abräumen' der Beete kann immer später erfolgen, in Wochen mit 'Altweibersommer' bis in den November hinein kann Blatt-, Kohl- und Wurzelgemüse noch wachsen, wenn es in den ersten Frostnächten - die leider ebenso wie früher ab Oktober drohen - mit Verfrühungsvlies abgedeckt wird." Gemüsearten wie Senfkohl (Pak Choi) könnten zum Beispiel fast den ganzen Winter über im Garten unter Vliesschutz erntebereit bleiben.

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Weiden in der Oberpfalz21.03.2022
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