Eloise - Drunk On A Flight (Sony)
Es sind meist nur kurze Skizzen, in denen die Londoner Singer-Songwriterin ihren Herzschmerz verhandelt. Den trägt sie in einer locker-charmanten Weise mit unschuldig-sanfter Stimme vor, die so ganz nebensächlich klingt. Eine schummrig beleuchtete, schlecht besuchte Cocktail-Bar kommt einem in den Sinn. Die leise Geräuschkulisse dezent geführter Gespräche, ein wohl temperiertes Klavier, der Schlagzeuger bevorzugt Besen statt Stöcke, und die Gitarre zirpt eher als dass sie schlägt, man hört, wie sie gegriffen wird. Pop-Jazz, Chanson, Sixties-Feeling, Laidback-Atmosphäre, warm wummernde Orgeln, süßes Background-Geflüster und zum Aufwachen einen „Therapist“, der ein wenig Schwung in die Bude bringt. Sam Smith hat´s gefallen, denn mit dem war sie auf Tour und 100 Millionen anderen auch, denn so viele Streams kann die Debütantin bereits verzeichnen.
Unknown Mortal Orchestra – V (Cargo)
Der neuseeländisch-hawaiianische Singer/Songwriter und Multiinstrumentalist Ruban Nielson nimmt ja gerne an allen Enden und Ecken der Welt seine Alben auf, dieses hier, ein Doppel-Album, ist in Kalifornien entstanden. Vielleicht ein Grund, warum diese Melodien so entspannt und sonnendurchflutet daherkommen und einen krassen Gegenpol zum lyrischen Inhalt bieten. Hier werden nämlich allerlei Ängste, Depressionen, der verlogene American Way Of Life und einige Niederungen mehr verhandelt. Lo-fi, Guided By Voices-like, mit einem guten Schuss Seventies-Funk & Soul bei den Instrumentals, bastelt Nielson an einem entspannt plätschernden Indie-Pop-Sound, der gerne die elektrischen Gitarren knarzen und brettern lässt. Ein Idyll, bei dem es unter der Oberfläche brodelt.
Polly Paulusma - When Violent Hot Pitch Words Hurt (Bertus)
Nachdem die Singer/Songwriterin mit der sanften, klaren, aber auch intensiven Stimme ihre Karriere 2003 startete, stand sie schon zusammen mit Bob Dylan, Jamie Cullum, Coldplay, The Divine Comedy oder Marianne Faithfull auf der Bühne. Der Titel ihres aktuellen Albums ist ein Anagramm von „The Pivot On Which The World Turns", das bereits im September 2022 veröffentlicht wurde. Die Geschichten sind neu, der reduzierte, minimalistische Folk-Stil der gleiche geblieben. Meist begleitet sie ihre auch mal gedoppelte Stimme nur mit Gitarre, Klavier oder Mandoline. Etwas für Puristen.
The Reds, Pinks And Purples - The Town That Cursed Your Name (Cargo)
Locker aus dem Ärmel schüttelt Glenn Donaldson seine Lieder und Melodien, die er inzwischen nicht mehr zu Hause zusammenbastelt, sondernd inzwischen im Bandgefüge umsetzt. Obgleich aus San Francisco stammend, fallen einem sogleich diverse Bands des Creation- und Postcard-Labels, vor allem aber die Go-Betweens ein. Jingle-Jangle-Dream- & Shoegaze-Power-Pop, ein wenig Psychedelic, ein wenig Paisley Underground, nett Low-Fi angerichtet und garantiert unaufdringlich. Und mit „Here Comes Your Lunar Hand“ ist sogar ein heimlicher Hit auf der Platte.
Monika Roscher Bigband - Witchy Activities And The Maple Death (Zenna Rec)
Achtzehn Köpfe zählt dieses Orchester, das von der Gitarristin, Sängerin und Songtexterin Monika Roscher angeführt wird. Und gleich nach den ersten Tönen wird klar, dass wir es hier nicht mit einer üblichen Big Band geschweige denn mit dem Sound derselbigen zu tun haben. James Last würde sich angesichts dieser eruptiven und improvisatorischen Jazz-Ausbrüche wohl im Grabe umdrehen. Da ist eine Karen Mantler mit ihrer Cat-Arnold-Mannschaft doch deutlich näher am quirligen Sound dieses wilden, Grenzen sprengenden, komplexen aber doch fein austarierten Klangkörpers dran. Jedes Instrument bekommt seinen Moment, ohne dass sich hier Solo an Solo reiht, „Witchy Activities And The Maple Death” will als Gesamtkunstwerk verstanden werden und genau das ist es auch: große Kunst.
Darling West - Cosmos (Jansen Rec)
Es passiert selten, dass man ein Album schon nach den ersten Tönen ins Herz schließt. Dem norwegischem Ehepaar Mari und Tor Egil Kreken und ihren Mitstreitern gelingt das mühelos auf ihrem fünften Longplayer. Dazu braucht es keine großen Gesten, kein Pathos und keinen Pomp. Dazu braucht es diese herrlichen, erdig-warmen Melodien, eine interessante, eher sparsame Instrumentierung, garniert mit ein paar hübschen Gitarren-Vignetten und vor allem diese ungemein sympathische Stimme von Mari, die diese Geschichten von Gott und der Welt auch ehrlich rüberbringt. Klingen andere skandinavische Bands auch mal ein wenig unterkühlt und distanziert, fühlt man sich hier sofort angenommen und in den Laurel Canyon zu Emmylou Harris, Gram Parson und Jeff Tweedy versetzt. Lucinda Williams verlieh der Kapelle einst das Prädikat „Cosmic Folk“, „Cosmos“ setzt das perfekt um und lädt zum träumen und fliegen ein.
The WAEVE - The WAEVE (PIAS)
Rose Elinor Dougall ist jetzt nicht so bekannt, war aber mal bei den Pipettes. Ihr Duo-Partner ist dafür so omnipräsent wie bekannt, spielte Graham Coxon doch einst bei Blur Gitarre (und kann inzwischen auch auf ein umfangreiches Solo-Oeuvre verweisen). Zunächst einmal lernen wir: Coxon kann auch ein verdammt geiles wie schräges Saxophon spielen, was denn auch des Öfteren den Marsch bläst (auch mal zusammen mit weiteren Holzbläsern). Lernprozess zwei lautet dann: es geht zusammen, was so bis dato nur selten zusammen ging. Der Opener, „Can I Call You“ ist eine Art 3-teilige Suite, die als Dream-Pop-Ballade beginnt, sich dann ein Stück Kraut-Rock schnappt um mit einem Blodwyn Pig-artigem Saxophon-Solo zu enden. Muss man erst einmal stimmig unter einen Hut bringen, Chapeau. Solche Parforce-Ritte hat es noch mehr an der Zahl, aber keine Angst, es gibt auch schummrig-schöne Wohlfühl-Balladen mit eingebautem Gitarren-Solo wie „Over And Over“, wo die beiden im Duett schmachten, das cineastisch-schmachtende „Drowning“ mit Xylophon und Mundharmonika, oder halt auch den zackigen New Wave von „Someone Up There“. Dougall und Coxon lieben die Abwechslung und das Experiment, hoffentlich bleiben sie sich trotzdem noch lange treu.
Hack-Poets Guild - Blackletter Garland (Bertus)
Was genau man sich genau unter einem Hack-Poet vorstellen kann, weiß ich nicht, diese Gilde besteht jedenfalls aus den mehr oder minder bekannten Folk-Musikern, Marry Waterson, Lisa Knapp und Nathaniel Mann. Die haben die Bodelain Library durchstöbert und sind dabei auf eine Fülle an alten Liedblättern gestoßen, die sie jetzt in ein zeitgemäßes Folk-Gewand übersetzt haben, das durchaus experimentelle Züge tragen kann. Die Geschichten sind düster, teils skurril und könnten auch im Hier & Jetzt spielen. Die Lieder leben von den verschiedenen Stimmen der Protagonisten und deren unterschiedlichen Fokussierung der Instrumentierung. Neben vermutbaren Harfen, Streichern und Bläsern, wird man auch schon mal mit Field Recordings konfrontiert. Verweise zu den Decemberists, Joanna Newsom oder King Creosote sind nicht von der Hand zu weisen.





















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