ONETZ: Herr Krummenacher, "Hochamt für Toni" war der erste "Tatort", bei dem Sie Regie geführt haben. Hat sich da für Sie ein Traum erfüllt oder hat sich die Zusammenarbeit eher ergeben?
Michael Krummenacher: Ich selbst bin kein solcher "Tatort"-Fan, der jeden Sonntagabend vor dem Fernseher klebt. Aber ich informiere mich und wenn mich ein Thema, eine Besetzung oder eine Geschichte interessiert, dann schaue ich das gerne. Das Format hat auf jeden Fall Relevanz. In diesem Fall war es aber so, dass ich das Drehbuch angeboten bekommen habe, und weil ich Fabian Hinrichs aus vorherigen Zusammenarbeiten sehr schätze, stand die Entscheidung für mich schnell fest – unabhängig vom "Tatort"-Label.
ONETZ: "Hochamt für Toni" ist ja kein klassischer "Tatort", kein reiner Krimi im herkömmlichen Sinne...
Das stimmt. Es ist weniger ein klassischer Krimi als mehr ein Melodrama. Gerade auch die Ausarbeitung dieser, wie ich finde, im positivsten Sinne altmodischen Kommissarfigur von Felix Voss, hat mich schon im Drehbuch angesprochen. Nachdenkliche Kommissare, die auch berührt werden von ihren Fällen sehe ich aktuell nicht so häufig in deutschen Fernseh-Krimis. Zuletzt erinnere ich mich da an Matthias Brandt als Hanns von Meuffels im Münchener Polizeiruf. Das hat was Französisches – und eben etwas Altmodisches, das ich sehr gern mag. "Hochamt für Toni" ist insgesamt etwas anders als die meisten bisherigen "Tatorte" aus Franken, da er diesmal eben nicht in Nürnberg, sondern im ländlichen Raum spielt.
ONETZ: Apropos Landeier: Sie sind ja auch in einer ländlichen Gegend aufgewachsen – in der Schweiz. Hat das ihren Zugang zur Inszenierung des Landlebens einfacher gemacht?
So viele regionale Unterschiede es da gibt – ich glaube, Land bleibt trotzdem immer Land. Auch wenn ich nicht auf dem flachen Land aufgewachsen bin, sondern immer Berge um mich herum waren, gibt es da einige verbindende Elemente. Ich glaube, das hat mit der Weite zu tun. In der Stadt passiert permanent etwas. Auf dem Land ist oftmals mehr Platz für Gedanken: Die Wege sind weiter, man muss mit dem Auto fahren – und oftmals passiert auf diesen Wegen gedanklich etwas. Und es gibt tatsächlich in der Gegend, aus der ich komme, zwei, drei Familien, die ein gewichtiges, international tätiges, aber dennoch familiäres Unternehmen führen. Man kennt die – und man schaut zu ihnen auf.
ONETZ: Waren Sie vor den Dreharbeiten für den "Tatort" schonmal in Franken oder der Oberpfalz?
Nein, das war tatsächlich Neuland für mich – obwohl ich gerade in München lebe und das eigentlich nicht so weit weg ist. Ich habe für die Verfilmung von "Räuber Hotzenplotz" in Fladungen im unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld gedreht. Aber das ist so weit nördlich, dass es schon fast Norddeutschland ist.
ONETZ: Wer kümmert sich denn bei solchen Produktionen um die richtige Portion Lokalkolorit?
In unserem Fall war das die BR-Redakteurin Stefanie Heckner, die im März leider gestorben ist. Sie hat sich mit riesiger Hingabe darum gekümmert, dass die Franken ihre Heimat in der Krimireihe wiedererkennen. Mit Bernd Regenauer hatten wir, neben Eli Wasserscheid, aber auch einen echten Franken-Spezialisten als Schauspieler dabei.
ONETZ: Bernd Regenauer spielt den Oberpfälzer Ermittler, gebürtiger Franke und deshalb mit fränkischem Dialekt, der den Fall – im Gegensatz zum Mittelfranken Voss gern schnell abschließen will. Gab es Überlegungen, diesen Ermittler mit einem "echten" Oberpfälzer zu besetzen?
Das war ein großer Diskussionspunkt, vor allem bei den Castings. Wir haben das geprüft, auch wenn die Auswahl an Schauspielern nicht groß war – am Ende hat sich aber herausgestellt, dass es für uns aus logistischen und personellen Gründen nicht möglich war, eine Rolle mit einem Darsteller aus der Oberpfalz zu besetzen.
ONETZ: Das Drehbuch zu "Hochamt für Toni" stammt ja von Bernd Lange. Wie viel Spielraum hatten Sie da als Regisseur?
Das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich, im Idealfall entwickelt sich das – wie in unserem Fall – in engem Austausch zwischen Autor und Regie. Manche Dinge verändern sich ja zwangsläufig – mit der Besetzung, mit den Drehorten, bei den ersten Leseproben mit den Schauspielern.
ONETZ: Wie erinnern Sie sich denn an die Dreharbeiten in Franken? Gedreht wurde ja in Ansbach und Umgebung.
Wir haben uns dort als Filmteam sehr, sehr wohl gefühlt und ich habe die Landschaft sehr liebgewonnen. Wir wurden durchwegs sehr herzlich empfangen – das ist keine Selbstverständlichkeit. Gerade in Städten wie München, wo sehr oft gedreht wird, schrumpft zum Beispiel das Verständnis für Straßensperrungen für einen Dreh immer mehr. Hier auf dem Land war es eher das Gegenteil: Es kam uns viel Interesse für unsere Arbeit entgegen – und man spürt, dass der Franken-Tatort" eine Rolle spielt für die Menschen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir übrigens der trockene Humor.
Zum Tatort
- Ausstrahlung des neunten Franken-"Tatorts": "Hochamt für Toni", am Sonntag, 4. Juni um 20.15 Uhr (ARD)
- Handlung: Hauptkommissar Felix Voss wird von einem alten Freund, inzwischen Pfarrer in dem fiktiven Oberpfälzer Dorf Konradsgrün, eingeladen. Dieser will in seiner Predigt etwas über Toni Hentschel enthüllen, Felix' große Studienzeit-Liebe. Doch zu der Predigt kommt es nicht: Der alte Freund wird kurz zuvor ermordet. Die örtliche – also Oberpfälzer Polizei – vermutet, dass es sich um einen Raubmord handelt. Doch Felix, der Mittelfränkische Ermittler, ist der Meinung, dass es eine Verbindung zwischen beiden Todesfällen gibt. Denn noch am Tatort erfährt Felix, dass sich Toni zwei Jahre zuvor das Leben genommen hat. Er dringt immer tiefer in die Abgründe der Familie Hentschel, mittelständische Industrielle aus der Oberpfalz, vor und findet dabei auch viel über sich selbst heraus.
- Drehort: Ansbach und Umgebung (hier wurden auch die Konradsgrün-Szenen gedreht)
- Besetzung: Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs), Kommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel), Eva Hentschel (Sina Martens), Michael Krummenacher (Regie), Bernd Lange (Drehbuch)
Seit wann gehört Ansbach als Drehort zur Oberpfalz?
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Hallo Frau Domes, das steht auch nicht im Text, dass Ansbach zur Oberpfalz gehört. Der Tatort spielt zum Teil in der Oberpfalz, allerdings in einem erfundenem Dorf. Gedreht wurde in Franken. Grüße aus der Redaktion. /Matthias
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