Der Podcast mit Patrick Boos:
Patrick Boos steht auf dem Boot, und sein Blick schweift über das Mittelmeer in der kroatischen Adria, neben ihm liegen griffbereit ein paar Tapas. Es läuft eine Easy-Listening-Playlist, er nennt es: "Gechillte Urlaubsmelodien". Wenn sein Blick über die Wellen bis an den Horizont reicht, dann kann er abschalten. Er empfinde diese Form der Entspanntheit nirgendwo anders als beim Segeln. "Ich habe trotzdem ein großes Verantwortungsbewusstsein für das Schiff", betont er. Boos ist schließlich der Kapitän, der gebürtige Hamburger segelt schon, seitdem er elf Jahre alt war.
In seinem beruflichen Alltag ist der heute 56-Jährige auch eine Art Kapitän. Er lotst mit der Weidener Witt-Gruppe einen großen Modeversandhändler, einen Tanker der Oberpfälzer Wirtschaft. Besatzung: rund 3700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. "Der Chef an Bord sagt, in welche Richtung gefahren wird und wo angelegt wird", erklärt er. Und überhaupt sehe er viele Parallelen zwischen dem Segeln und seinen Aufgaben als Chef der Witt-Gruppe. Es gebe die Schönwetter-Perioden, in denen es Spaß mache. "Aber dann gibt es eben auch plötzlich Gewitter, die kommen und urplötzlich andere Wettereinflüsse, die erfordern, dass man seine Schwimmweste anzieht, dass man darauf achtet, dass kein Wasser ins Schiff gerät." Schadensbegrenzung also.
Stürme im ersten Jahr
Und die musste Boos 2022 unbedingt betreiben. Im vergangenen Geschäftsjahr verzeichnete das Weidener Unternehmen, das zur Otto-Group gehört, nämlich einen Umsatzrückgang, nachdem es die Jahre zuvor vor allem Rekord-Umsatz nach Rekord-Umsatz vermeldet hatte. Zwischen März 2022 und Februar 2023 setzte die Witt-Gruppe 1,178 Milliarden Euro um – 4,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Pandemie, Krieg und Inflation – so hießen unter anderem die Stürme, die über das erste Geschäftsführer-Jahr von Patrick Boos in Weiden hinweg gefegt sind. Die Kosten sind in dieser Zeit explodiert.
"Der Druck im vergangenen Geschäftsjahr war sehr groß", sagt er. Er habe tatsächlich die eine oder andere schaflose Nacht gehabt. Er habe durchaus Respekt vor der Größe des Unternehmens und den Aufgaben, die vor ihm liegen. "Die Witt-Gruppe steht vor weiteren großen Veränderungen", kündigt er an. Patrick Boos will beispielsweise das Papiergeschäft reformieren und meint damit die Kataloge in dreistelliger Millionen-Auflage. Zudem wolle er das Geschäftsmodell in die digitale Welt transformieren und weitere Umsatzpotenziale finden.
Die Fehler verzeihen
Auch wenn er seine Aufgabe nicht unterschätzt und viele seiner Sorgen auch offen kommuniziert, macht Boos durchaus den Eindruck, als habe er einen Plan, wohin er den Tanker navigieren will. Und dabei will er bewusst viel Verantwortung an seine Mannschaft abgeben. Er wolle seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Freiräume zum Gestalten geben und auch Fehler verzeihen. Er will nicht mehr der typische Chef sein, wie man ihn früher kannte. Der 56-Jährige weiß zwar auch: "Irgendwann muss es eine bestimmte Ansage geben." Doch um den Weg zu dieser finalen Ansage eines Chefs zu beschreiben, zieht er wieder einen Vergleich zum Segeln: "Er kann das natürlich nur tun und entscheiden, wenn er auch Mitarbeitende, in dem Fall Mitsegler hat, die zum Beispiel die Vorschot bedienen, die Großschot, also das Großsegel bedienen, die navigieren, die dafür sorgen, dass die Strömungen und die Winde berücksichtigt werden."
Und während die Besatzung gemeinsam an der Transformation, einer von Boos' Lieblingsbegriffen, von Witt arbeitet, bleibt der Kapitän achtsam. Er vertraut seinem Team, aber misstraut möglichen neuen Stürmen und Entwicklungen, die aufkommen können. "Positiv gesagt, eine gewisse Paranoia davor, was da draußen passiert und welche Wettbewerber kommen – und nicht nur in der althergebrachten Struktur, sondern eben auch Wettbewerber aus Fernost, Wettbewerber aus anderen Ländern mit völlig neuen Geschäftsmodellen, die aber tatsächlich Nachfrage von uns wegnehmen können", beschreibt er das Kopfzerbrechen und die Gedanken zu seinem Tanker in der Oberpfalz.
Einmal im Jahr, auf dem Boot im Mittelmeer, erlaubt sich der Witt-Chef dann aber auch selbst mal, die Gedanken schweifen zu lassen. An Kopfzerbrechen ist dann nicht zu denken. Denn wenn er über die Wellen bis an den Horizont blickt, ist Patrick Boos entspannt. Die Verantwortung spürt er allerdings immer noch – schließlich ist er der Kapitän.
Zur Person: Patrick Boos
- Alter: 56 Jahre
- Familie: verheiratet, drei Kinder, ein Hund
- Wohnort: aufgewachsen in Hamburg, die Familie lebt in Berlin, er hat eine Zweitwohnung in Weiden
- Pendler: unter der Woche in Weiden, am Wochenende in Berlin
- Frühere Stationen: Unter anderem Geschäftsführer von Ebay Deutschland und der Baur-Gruppe
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