Oberpfalz
20.12.2018 - 16:56 Uhr

Vom weihnachtlichen Charakter unseres Lebens

Streichholzmeditation erhellt das Potenzial des Glaubens: Christen sind keine kleinen Lichter.

In einer Krippe liegt eine Holzfigur von Jesus. Daneben brennt eine Kerze. Bild: Sven Hoppe/dpa
In einer Krippe liegt eine Holzfigur von Jesus. Daneben brennt eine Kerze.

Sicher haben Sie es in den vergangenen Wochen öfters getan: eine Kerze angezündet. In der Adventszeit oder an den Weihnachtstagen ist das ein guter Brauch. Ein Brauch, der Sinn macht, in der buchstäblichen Bedeutung dieses Wortes. Denn Weihnachten bringt Licht und Wärme. Dafür stehen die Kerzen, die wir an diesen Tagen entzünden. In Bethlehem wurde die Nacht erhellt, als Christus zur Welt kam. Die Hirten sahen lichterfüllte Engel, die Weisen aus dem Morgenland folgten einem hellen Stern. Weihnachten ist das Fest des Lichtes - die Kerzen stehen dafür.

Ich möchte Sie heute zu einer Meditation einladen. Sie brauchen dazu ein Streichholz, möglichst eines von den langen, mit denen man das Holz in einem Kamin entzündet. Nehmen Sie es in die Hand und lassen Sie sich inspirieren, von diesem Text und von ihren ganz persönlichen Gedanken. Streichhölzer können uns nämlich etwas über den weihnachtlichen Charakter unseres Lebens erzählen. Wer sich mit ihnen beschäftigt, erfährt etwas über den Glauben und über das, worauf es ankommt in einer Welt, in der es nicht nur leuchtende Augen, wärmende Lichtblicke oder zündende Momente gibt.

Zerbrechlichkeit

Auch wenn sie zu Millionen hergestellt werden: Jedes Streichholz ist ein bisschen anders als die anderen. Die Oberfläche ist unterschiedlich rau. Bei manchen finden sich Rillen oder Riefen im Holz. Der Zündkopf ist meist tropfenförmig rund oder langgezogen und schlank. Manche sind gerade, andere ein wenig gebogen. Allen gemein ist jedoch ihre Zerbrechlichkeit. Nicht einmal zwei Millimeter dick sind diese Hölzchen. Und wer nicht aufpasst, bricht sie beim Anzünden entzwei. Womit wir beim ersten Merkmal unserer weihnachtlichen Situation angelangt sind, der Zerbrechlichkeit.

Ja, das Leben und unser Glaube sind zerbrechlich. Ich denke an Menschen, die auf der Schattenseite dieser Erde stehen: die Kranken und Leidenden, die Einsamen und Verlassenen, die Hungernden und Flüchtenden, die Armen und Obdachlosen, die Fremden und Vertriebenen, die Kriegsgeschädigten in der ganzen Welt - und jeder kann hier eigene Beispiele von Zerbrechlichkeit finden, die uns das Leben immer wieder schwer machen.

Der Lichtkegel, der von Weihnachten ausgeht, lenkt unsere Blicke gerade in diese dunklen Schattenbereiche, weil dieses Fest eine große Verheißung in sich trägt: An Weihnachten ist die Menschenfreundlichkeit Gottes in die Welt gekommen. Wie ein Streichholz sollen wir uns deshalb entflammen lassen für Menschen, denen Leid widerfährt.

Jetzt haben Sie Ihr Zündholz schon einige Minuten in der Hand - brennt es schon? Natürlich nicht, werden Sie sagen. "Sicherheitszündhölzer", so hießen die Anzündhilfen, die sich der schwedische Chemiker Gustaf Erik Pasch 1844 patentieren ließ. Diese Hölzer entzünden sich nicht einfach so. Sie warten geduldig, Monate, vielleicht auch Jahre, bis man sie an der Reibefläche einer Streichholzschachtel entfacht.

Gelassenheit

Es ist schon enorm: Dem Streichholz scheint es gar nichts auszumachen, wenn es über längere Zeit nicht zum Einsatz kommt. Fast ist es, als würde es in aller Gelassenheit in seiner Schachtel ruhen und zu sich sagen: "Ich habe Geduld, ich bin jederzeit zum Einsatz bereit. Bis dahin werde ich in meiner Pappkiste warten und sehen, was auf mich zukommt." Und so wartet es darauf, wem es Wärme schenken darf - und welche Initialzündungen für mehr Menschlichkeit, Frieden und Gerechtigkeit von ihm ausgehen werden.

Ich habe manchmal den Eindruck, dass auch bei manchen Menschen der Glaube in Wartestellung liegt. Da haben sie sich nach der Konfirmation oder nach der Firmung zügig aus der Gemeinde verabschiedet, haben zur Trauung unverbindlich vorbeigeschaut und führen abseits aller kirchlichen Angebote ein anscheinend zufriedenstellendes Leben. Das finde ich oft schade, merke aber: Es ist nicht so einfach zu ändern.

Das Bild vom geduldigen Streichholz macht mir aber ein wenig Hoffnung. Immer wieder mal tauchen diese Menschen ja auf, haben Kontakt mit Kirche, mit engagierten Christen und ihrem Glauben. Dann reiben sie sich bildhaft gesprochen an der Schachtel, in der ihr Glaubensstreichholz schlummert. Und manchmal geschieht es dann doch, dass es Feuer fängt, dass der Glaube, der so lange verschüttet schien, wieder lebendig wird, dass das Licht sie als Christen entzündet und ihr Leben hell und warm macht.

Die Botschaft von Weihnachten ermutigt uns dazu, gerade auf diese Menschen zuzugehen und sie quasi anzufeuern: "Die frohe Nachricht der Engel gilt auch dir: ,Siehe, ich verkündige euch eine große Freude: Euch ist heute der Heiland geboren." Und damit sind wir, nach der Zerbrechlichkeit und der Geduld, bei der dritten herausragenden Eigenschaft des Streichholzes: seinem ungeheuren und ansteckenden Potenzial. In einem Kirchenlied heißt es: "Ein Funke, kaum zu sehn, entfacht doch helle Flammen." Und so ist es doch: Ein winziger Funke am Zündkopf des Streichholzes reicht aus, um es zu entzünden und die Kerzen zum Leuchten zu bringen. Und schon wird es warm, hell und gemütlich.

Jesus als Funke

Unser Glaube hat Potenzial. Weil Jesus damit angefangen hat, zu "zündeln": "Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden", so wird er im Lukas-Evangelium zitiert. Hören Sie das Ratschen des Streichholzes? Ist das nicht ein zündender Gedanke? Jesus als Funke, der die Welt mit seiner Botschaft glaubensmäßig angesteckt hat. Seitdem sind Jüngerinnen und Jünger, damals wie heute, immer wieder Feuer und Flamme. Aber sind wir Christen nicht nur kleine Lichter?

Das Weihnachtsfest widerspricht diesem durchaus verständlichen Einwand. Ging die Botschaft der himmlischen Wesen nicht gerade an Hirten und damit an Menschen, die eben nicht im Rampenlicht standen? Ich denke, jeder und jede von uns kann sich, als kleines oder großes Licht, von Gottes Geist entzünden und begeistern lassen, um schließlich selbst etwas mehr Licht und Wärme in diese Welt hinauszutragen.

Der Besuch eines Kranken, ein seelsorgerliches Gespräch, aber auch politisches Engagement oder die Welt ins Gebet zu nehmen - bei aller Zerbrechlichkeit solch kleiner Schritte: Haben Sie Geduld dabei und vertrauen Sie auf das Potenzial des Glaubens. Denn dann wird aus der weihnachtlichen Initialzündung Gottes ein flammendes Feuer, das nachhaltig für Wärme sorgt. Ich wünsche Ihnen ein segensreiches, Herz erwärmendes und sinn-volles Fest.

 
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