Verschwörungstheorien, Feindbilder, Fremdenhass und Parolen jenseits jeder faktischen Grundlage - der machtsichernde Politikstil von Ungarns rechtsnationalem Staatschef Viktor Orbán ist weithin bekannt. Ebenso das Ausmaß seiner europäischen Solidarität, spätestens seit seinem Grenzzaun gegen Flüchtlinge, der so entlarvend ist wie Donald Trumps Grenzmauer.
So kann die Plakat-Kampagne gegen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker als weiteren Nadelstich gegen die Europäische Union nicht wirklich überraschen. Diese suggeriert, Juncker und Orbáns Intimfeind, der ungarischstämmige US-Milliardär George Soros, wollen die illegale Migration fördern. So abwegig der Gedanke sein mag, dass Ungarn zum Einwanderungsland wird, bergen die Plakate dennoch Zündstoff. Denn die "Plakataffäre" bringt EVP-Chef Manfred Weber (CSU) in Zugzwang. Den Schritt, Orbáns Partei Fidesz aus der konservativen Parteienfamilie auszuschließen, scheut er noch. Dass die CSU unter Horst Seehofer Orbán hofiert hat, macht seine Lage innerhalb der CDU/CSU auch nicht einfacher.
Doch angesichts der richtungsweisenden Europawahl sind Kompromisse mit Europa-Gegnern kaum hilfreich. Weber wäre gut beraten, in Abwägung aller Folgen gegenüber Orbán einen klaren Schnitt zu machen. Es ist letztlich eine Frage der Glaubwürdigkeit - für Weber, die EVP, die CSU und letztlich auch für die EU.
2002 wurde Orban zu einer der Vizepräsidenten der Europäischen Volkspartei (Dachverband der christlichen Parteien, u.a. CDU, CSU, ÖVP etc.) gewählt. Zuvor war Viktor Orban Vorsitzender des Kommunistischen Jugendbundes (KISZ), der Jugendorganisation der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei. Er hat mit der Gründung seiner rechts-nationalen Partei FIDESZ inzwischen das gesamte politische Spektrum durchlaufen. Durch eine Reihe von fragwürdigen Gesetzen werden die Justiz, NGO´s und die Pressefreiheit in Ungarn stark eingeschränkt. Alle Schaltstellen der Macht werden von einer Clique Orban-Getreuer besetzt, die sich seit der gemeinsamen Jugendzeit in der KISZ kennen. Die öffentlich-rechtlichen Medien in Ungarn wurden unter Orban praktisch „gleichgeschaltet“, stellten EU-Beobachter fest. Die EU hat mehrere Verfahren wegen Verletzungen mehrerer EU-Verträge gegen Ungarn eingeleitet und Menschenrechtler prangern Ungarn scharf an. Inzwischen hat sich Orban mit Waffenkäufen in Russland wieder stark seinem alten Freund Putin angenähert. Trotz großer Versprechungen hat Orban das Land in die wirtschaftliche Krise geführt. Ungarn hat sich unter seiner Führung zu einem „europäischen Schurkenstaat“ entwickelt, wie die „Welt“ schreibt. Ehrlicher wäre ein Austritt Ungarns (und einiger anderer osteuropäischer Staaten) aus der EU, doch dann müsste man ja auf die liebgewordenen Zahlungen aus Brüssel verzichten. Orban hat bereits angekündigt, sein Veto gegen eine Verurteilung Polens einzulegen und lässt damit die EU-Sanktionen gegen die Entdemokratisierung Polens ins Leere laufen. Im Jahre 2001 wurde Orban der Franz Josef Strauß-Preis verliehen, der sich als eine „Auszeichnung für hervorragende Leistungen in Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur“ versteht. Noch vor wenigen Monaten hat Orban erneut eine Einladung zum CSU-Treffen in Seeon erhalten. Man fragt sich, wieso die CSU einem ausgewiesenen Antieuropäer, der in seinem Demokratieverständnis Sultan Erdogan gleicht, immer wieder eine politische Bühne bot? Eines Tages, nach dem Ende der EU, wird man sagen, mit Orban hat alles angefangen.
Manfred Weber, der Vorsitzende der Fraktion der konservativen Volkspartei (EVP) spielte dabei stets eine unglückliche Rolle und war immer einer der größten Verteidiger Orbans. Statt klarer Ansagen gab es stets nur butterweiche Kritik.
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