War das nicht dieses lächerlich aussehende kleine Ding, das einem als Grundschüler den Einstieg in die Welt der aktiven Musikgestaltung verschaffen sollte, für dessen schlappen Ton man allerdings eher milde belächelt wurde? Der 56-jährige Mann vom Niederrhein kennt dieses Vorurteil nur zu gut, hat es als Steppke gleichfalls verarbeiten müssen.
"Die erste Blockflöte lag als Geschenk unterm Weihnachtsbaum", erinnert sich Kuinke, "ich muss acht oder neun Jahre alt gewesen sein. Was für eine Enttäuschung, schließlich hatte ich mir vom Christkind eine E-Gitarre oder ein Schlagzeug gewünscht. Ich wollte Musik machen, ich wollte Rocker werden. Doch meine Eltern blieben stur, schickten mich mit dieser Tröte zum Unterricht in die "Musikschule". Und was soll ich sagen - heute bin ich ihnen unglaublich dankbar für diese Entscheidung. Ich habe bald erkannt, was für einen besonderen Klang man auf der Blockflöte erzeugen kann."
Kuinke ist mittlerweile europaweit einer der angesagtesten Virtuosen auf seinem Instrument, steuert seit 1979 Beiträge etwa für die Kult-Formation Eloy bei. "Mit keinem anderen kann man so wundervoll seinen Emotionen Ausdruck verleihen", schwärmt der gestandene Kerl. "Holz und Spieler-Atem bringen faszinierende Töne hervor. Es wird meist still im Raum, wenn die Flöte erklingt."
Syrinx Call heißt das Projekt des "bekennenden Anachronismen, was die Musik angeht", wie Kuinke sich selbst bezeichnet, "The Moon On A Stick" das aktuelle Werk. Der Bandname ist der griechischen Mythologie entliehen, die Nymphe Syrinx verschmäht die Liebe des Hirtengotts Pan - nach dem übrigens eine Flöte benannt ist, deren Klänge bis heute in gekonnter Hand Schauer beim Zuhörer erzeugen. Syrinx Call ist eine Kooperation zwischen Kuinke sowie dem Produzenten, Songschreiber und Multiinstrumentalisten Jens Lueck. "Jens kenne ich seit 2011", erinnert sich Kuinke, "ich habe seinen Sound zusammen mit meiner Frau bei einem Island-Diavortrag mitgekriegt. Ich war hin und weg davon.
Noch in derselben Nacht habe ich über "Facebook" Kontakt zu ihm aufgenommen. Wir wurden rasch Freunde. Und so entstanden die beiden Alben "Wind In The Woods" 2015 und jetzt "The Moon On A Stick". Darauf zu hören übrigens, neben meiner Gattin als Background-Vokalistin, auch Isgaard, die Herzdame von Jens, als Sängerin. Wir produzierten wie im Rausch. Ich denke, die Blockflöte ist jetzt endgültig im Rock-Olymp angekommen." Volker Kuinke sieht es als absolutes Kompliment, wenn man seinem Sound Altmodigkeit attestiert. "Alleine schon deshalb", lacht er, "weil in der heutigen Zeit so viel oberflächlicher Mist produziert wird. Mit diesem Zeitgeist möchte ich partout nichts zu tun haben. Da lasse ich mich lieber als "Retro-Musiker" beschimpfen."
Der bärtige Hüne Kuinke arbeitet an seinen Stücken bevorzugt in "familiärem Ambiente", wie er es selbst zusammenfasst. "Der Nukleus besteht wie erwähnt aus mir, Jens, Isgaard und meiner wunderbaren Frau Doris. Hinzu gesellt haben sich dieses Mal die klassischen Orchestermusikerinnen Annika Stolze und Katja Flintsch, die das Geschehen mit dem Einsatz von Violine, Bratsche und Cello bereichern. Dadurch entsteht ein satter Klang", schwärmt Kuinke nach wie vor. "Auf vier Titeln haben Lueck und ich zudem eine Art am Computer simuliertes Orchester zum Einsatz gebracht. Da geht es heftig pompös zur Sache, was uns äußerst gefällt. Letztlich sind wir Beteiligten allesamt große Nostalgiker."
Wobei sich Kuinke am Ende des Tages als "Mann mit der kleinen Blockflöte" sieht, wie er bekennt. "Mein Anspruch ist es, dieses schlichte Ding als festes Bestandteil der Rock-Musik zu etablieren. Es ist einfach maßlos unterschätzt! Deshalb ist es meine Aufgabe, ihm ein komplett neues Umfeld zu verschaffen. Und ihm dadurch eine andere als die gewohnte Rock-Atmosphäre zu erschließen."
Pioniere des Projekts "Rock-Flötentöne" sind seit einem halben Jahrhundert die Briten von Jethro Tull. "Deren Mastermind Ian Anderson", mutet sich Kuinke, "war ein Idol für mich, dank seines kraftvollen Spiels auf einem eigentlich zurückhaltendem Instrument. Wegen dieses Mannes bin ich sogar von der Blockflöte auf die Querflöte umgestiegen - um nach fünf Jahren zu meinem eigentlichen Instrument zurückzukehren. Für ein Sensibelchen wie mich ist das die beste Wahl. Ich kann darauf jede meiner vielfältigen Stimmungen zum Ausdruck bringen." www.syrinxcall.com
06.07.2018 - 12:33 Uhr
Progressive Flötentöne
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