Die Studie "Standort Bayern - Unternehmensperspektiven 2020" der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW) hatte ergeben: In der Oberpfalz sehen über 91 Prozent der Unternehmer einen großen Handlungsdruck bei der Sicherstellung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung. Schlechter war der Umfragewert nur in Oberfranken.
Zu dem Thema veranstaltete die VBW am Dienstagabend einen Online-Kongress mit Vertretern aus mehreren Parteien. Stefan Schmidt, Regensburger Bundestagsabgeordneter der Grünen, bezeichnete die Verteilung der medizinischen Angebote in der Oberpfalz als heterogen. In den ländlichen Regionen sei die Dichte gerade bei den Fachärzten weniger groß.
Ulrich Lechte, Regensburger Bundestagsabgeordneter der FDP, sieht das Problem vor allem darin, dass der Arztberuf durch Budgetierung und Bürokratie mittlerweile zu unattraktiv geworden sei. Eine eigene Praxis aufzubauen, würden viele Nachwuchs-Mediziner scheuen, sie seien lieber Angestellte. Erich Irlstorfer, Freisinger CSU-Bundestagsabgeordneter und Gesundheitsexperte, sagte, es gebe ein Problem mit der Menge an Ärzten. Früher habe üblicherweise ein Arzt einen Kassensitz innegehabt. Heute würden sich teils drei Ärztinnen einen Sitz teilen, weil sie Familie haben und Teilzeit arbeiten wollen. In den nächsten Jahren würden zudem viele alteingesessene Ärzte aus Altersgründen ihre Praxen aufgeben. Irlstorfer plädierte für Initiativen, um mehr Ärzte ausbilden zu können. Er sprach sich dafür aus, die Zugangsregeln zum Medizinstudium zu ändern. Statt des Numerus clausus stellt er sich Eignungsprüfungen vor.
Schmidt wies daraufhin, dass in der Oberpfalz in den vergangenen Jahrzehnten etliche kleine Krankenhäuser zusperren mussten. "Das ist eine Lücke, die wir schließen müssen." Er stellt sich dafür eine "Zwischenstufe zwischen ärztlicher Versorgung und Krankenhaus" vor. Auch die Telemedizin könne hilfreich sein, um medizinisches Know-how in jeden Landstrich zu bekommen. Eine Rückkehr zurück zu einem System, in dem jedes kleine Krankenhaus sämtliche medizinischen Bereiche abdeckt, sahen alle Diskussionsteilnehmer als nicht realistisch an.
Noch größer als bei den Ärzten ist der Mangel bei den Pflegern. "Sie bekommen zu wenig Geld", sagte Schmidt. Lechte wies daraufhin, dass im Corona-Jahr 2020 sehr viele Pfleger ihren Beruf aufgegeben hätten. Irlstorfer rechnete vor, dass es 2019 zwar 20 000 mehr Pflegeschüler gab als 2009. Aber: "Wir können gar nicht so schnell ausbilden wie der Bedarf wächst." Er forderte auch, den Pflegern mehr Kompetenzen zu geben, um das Berufsbild attraktiver zu machen. Die Robotik könne dabei helfen, in der Pflege beispielsweise schwere Lasten zu tragen, sagte Christine Völzow, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik bei der VBW.
Eine Grundsatzdiskussion entspann sich über das Thema Bürgerversicherung, die unter anderem die Grünen fordern. "Wir wollen eine solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens", sagte Schmidt. Die Aufteilung in gesetzliche und private Krankenversicherung habe ein Zwei-Klassen-System hervorgerufen, das aufhören müsse. Lechte widersprach und sagte, er könne sich ein System ohne Wettbewerb nicht vorstellen. Irlstorfer betonte, in der Notaufnahme frage niemand, wie ein Patient versichert ist. Da komme derjenige als erstes an die Reihe, der am dringendsten versorgt werden muss.
VBW-Studie
- Die Unternehmen in der Oberpfalz sind grundsätzlich zufrieden mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie die Studie „Standort Bayern – Unternehmensperspektiven 2020“ der VBW ergab.
- Die Standortqualität im Regierungsbezirk Oberpfalz bewerteten die Unternehmen mit 73,5 von 100 Punkten. Damit konnte die Bewertung im Vergleich zum Vorjahr (73) leicht gesteigert werden, liegt aber unter dem bayerischen Durchschnitt von 75,5 Punkten.
- Verbesserungen fordern die Unternehmer in der Sicherstellung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung. Über 91 Prozent sehen hier Handlungsbedarf.
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