Regensburg
25.10.2019 - 16:23 Uhr

Auszeichnung für echte "Kavaliere der Straße"

60 Jahren gibt es die "Kavaliere der Straße". Auch wenn es heute viel weniger Todesopfer auf den Straßen Deutschlands zu betrauern gibt. Die Geschichten des jüngsten Ehrenabends zeigen, die "Kavaliere" bleiben gefragt

Regierungspräsident Axel Bartelt zeichnete im Spiegelsaal der Regierung in Regensburg Christiane Niebler und Christian Biersack für vorbildliches Verhalten im Straßenverkehr aus. Für die Arbeitsgemeinschaft „Kavalier der Straße“ gratulierten Dr. Gernot Sittner und Josef Wittmann (von links). Bild: Würth, Wolfgang
Regierungspräsident Axel Bartelt zeichnete im Spiegelsaal der Regierung in Regensburg Christiane Niebler und Christian Biersack für vorbildliches Verhalten im Straßenverkehr aus. Für die Arbeitsgemeinschaft „Kavalier der Straße“ gratulierten Dr. Gernot Sittner und Josef Wittmann (von links).

Hier beherztes Eingreifen, umsichtiges Zupacken, dort teilnahmslos-abgebrühtes Filmen menschlicher Tragödien. Im Straßenverkehr zeigen sich täglich die Kontraste menschlichen Verhaltens. Aber es gibt sie noch, die "Helden des Alltags", die sich bei der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft "Kavalier der Straße" auf Einladung der Mittelbayerischen Zeitung in Regensburg trafen

Über 20 Helfer aus dem Bundesgebiet zeichnete Regierungspräsident Axel Bartelt aus und würdigte mit Urkunde, Plakette und Anstecknadel ihr partnerschaftliches Verhalten. Bartelt ging auch kurz auf die Geschichte der ARGE Kavalier ein, die vor 60 Jahren von deutschen Zeitungen gegründet wurde, zu einem Zeitpunkt, als bundesweit 15 654 Menschen Opfer des Verkehrs wurden. Der traurige Höchststand war 1970 mit 21 332 Toten erreicht. 2018 waren 3 275 Opfer zu beklagen - ein immer noch erschreckender Wert, der alle Verkehrsteilnehmer zu Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme aufruft.

Mit starkem Beifall bedachten die Ehrengäste die Leistungen der Kavaliere, die Oberpfalz-Medien vorgeschlagen hatte. So leistete Christian Biersackaus Vorbach (Landkreis Neustadt) geradezu Übermenschliches. Was war passiert? Eine Autofahrerin, unterwegs auf der B 470 von Weiden Richtung Pressath, verlor bei starkem Schneetreiben die Kontrolle über ihr Fahrzeug, überschlug sich und blieb kopfüber in ihrem Auto hängen.

Ins Wrack geklettert

Biersack hielt weitere Helfer sogar davon ab, das Auto wieder auf die Ränder zu kippen. Er kletterte vielmehr in das Innere des Fahrzeugs und kroch schließlich unter die in den Gurten hängende Frau, um sie zu stabilisieren. Während dieser Zeit - die Angaben reichen von 20 Minuten bis zu einer knappen Stunde - sprach er beruhigend auf sie ein. Rettungskräfte schnitten die Frau schließlich aus dem Wrack, auch Biersack musste, total erschöpft, kurz behandelt werden.

Ähnlich umsichtig reagierte Christiane Niebleraus Lauterhofen (Landkreis Neumarkt). Sie war auf der A 6 zwischen den Anschlussstellen Amberg Süd und West unterwegs. Dort hatte sich ein mit sieben Rumänen besetzter Kleinbus überschlagen und blockierte alle Spuren. Nieblers Versuche, durch Handzeichen andere Autofahrer zum Halten zu bewegen, schlugen fehl. Im Gegenteil: Viele versuchten, sich an der Unfallstelle vorbeizuquetschen.

Fehlende Hilfsbereitschaft

Nach Eintreffen von Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei unterstützte sie die Helfer noch weiter, half sogar mit, als sich auf der Gegenfahrbahn ein weiterer Unfall ereignete, vermutlich ausgelöst durch abbremsende Schaulustige.

Die örtlichen Feuerwehren vermerkten in ihrem Vorschlag an die Kavaliere-Jury bei Oberpfalz-Medien aber auch, dass sie fehlende Hilfsbereitschaft anderer Fahrer und die Unverschämtheit von manchen Pkw- und Lkw-Lenkern, die sogar eine Rettungsgasse blockierten oder auch Videos und Bilder der Unfälle fertigten, als geradezu unverschämt empfanden.

Der erste "Kavalier" war ein Oberpflälzer:

Ein Minister wird geehrt

Vor 60 Jahren, am 23. Oktober 1959, wurde der erste „Kavalier der Straße“ ausgezeichnet. Darauf verwies Regierungspräsident Axel Bartelt bei seiner Festrede vor den Kavalieren des Jahres 2019 im Spiegelsaal der Regierung in Regensburg. 65 000 Helfer zeichnete die Arbeitsgemeinschaft der Tageszeitungen seither aus, der erste kam aus der Oberpfalz: Walter Weber aus Schierling (Landkreis Regensburg) nahm die Ehrung im Bonner Bundesverkehrsministerium entgegen, weil er – so die Begründung – „aus einem Hosenträger und Perlonstrümpfen Abschleppseile für einen liegengebliebenen Wagen gebastelt und so einem Ehepaar in der Nacht aus einer Notfallsituation geholfen hatte“.

Zu den Kavalieren darf sich auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zählen. Nach einigem Zögern wird er die Auszeichnung in wenigen Tagen entgegennehmen. Er war mit seinem Dienst-Pkw bei Erlangen unterwegs, Zeuge eines tödlichen Unfalls und half mit, eine schwerstverletzte Frau aus einem zwischen Bäumen hängenden und völlig demolierten Auto zu bergen. (km)

 
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