Regensburg
19.09.2018 - 16:06 Uhr

Babylonier im 20. Jahrhundert

Der Umstand, dass der Tempel in Jerusalem 586 v. Chr. zerstört wurde, nahm Verdi zum Anlass, eine Oper darüber zu schreiben. Auch Regisseur Rares Zaharia erkennt, dass dieses Sujet leicht in die Neuzeit transportiert werden kann.

Die Anspielungen an die Moderne sind in Rares Zaharias Neunszenierung von Verdis Oper „Nabucco“ nicht zu übersehen. Bild: Jochen Quast
Die Anspielungen an die Moderne sind in Rares Zaharias Neunszenierung von Verdis Oper „Nabucco“ nicht zu übersehen.

Regensburg.Die Zeitlosigkeit, welche in diesem Stoff steckt, dürfte auch Librettist Temistocle Solera und der Komponist Verdi bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt gewesen sein. So erinnern am Theater am Bismarckplatz schon das martialische Bühnenbild von Helmut Stürmer mit schwarzen Mauern, Metallgittern, Spiegeln und heroischen Treppen sowie die Kostüme von Katharina Heistinger an das faschistische Italien des 20. Jahrhunderts. Auch die Bewegungsabläufe und die Gestik der Bühnenakteure lassen das entsprechende Pathos und den patriotischen Geist nicht vermissen.

Wie der Duce

Auch gebärdet sich der Babylonierkönig Nabucco wie der Duce Mussolini und aus dem Hohepriester des Babylonier-Gottes Baal macht Regisseur Zaharia kurzerhand einen christlichen Bischof inklusive Bischofsstab. Zudem sind Anspielungen an den Ku-Klux-Klan in den Kostümen der Babylonier zu sehen.

Ein origineller Einfall ist der Regie mit dem personifizierten Schatten Nabuccos gelungen, der unter anderem als stummer "Gesprächspartner" für Monologe der anderen herhalten muss und dem Babylonierkönig für die Zeit seiner geistigen Umnachtung eine Zwangsjacke anlegt. Insgesamt ist die Inszenierung geschickt gemacht und versteht emotional zu fesseln, indem sie die Spannungsbögen dieses Musiktheaterwerks beeindruckend herausstellt.

Darüber, dass die Arie, in welcher Abigaille am Schluss um Vergebung bittet und sich selbst vergiftet, einfach herausgestrichen wurde und Nabucco sie stattdessen mit einer Giftspritze ermordet, kann man streiten. Denn hier geschieht doch ein nicht unwesentlicher Eingriff in das Libretto und die Partitur. Und dieser Eingriff wird durch die Intention des Regisseurs, dass eine wirkliche Katharsis solcher Charaktere nicht möglich sei, nur unzureichend gerechtfertigt.

Den Bühnenakteuren kann man ein großes Kompliment machen. Alle Rollen sind treffend besetzt. Herausragend agieren schauspielerisch sowie gesanglich der Bass Selcuk Hakan Tirasoglu als Hohepriester Zaccaria, der Bariton Adam Kruzel als Nabucco und die Sopranistin Aile Asszonyi in der Rolle der Abigaille. Der von Alistair Lilley hervorragend einstudierte Chor nimmt die Herausforderungen des Werks mit Bravour.

Intensiver Schlussapplaus

Das Orchester setzt unter Leitung von Tom Woods die Partitur mit Energie und Gespür für dynamische Nuancen und Spannungsbögen um hält durchwegs einen kommunikativen Kontakt zu den Bühnenakteuren. Das Publikum nimmt den Premierenabend im nahezu ausverkauften Theater mit einem intensiven aber nicht allzu lange anhaltenden Schlussapplaus auf.

 
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