Eigentlich wirkte sie selbst wie ein scheues Reh. Groß, schlank und mit Bubikopf verkörperte Renée Sintenis außerdem den Begriff der "Neuen Frau" in den Goldenen Zwanzigern. Die Bildhauerin gilt als eine der meistfotografierten Damen der Weimarer Republik.
Bis heute allbekannt ist ihr "Berliner Bär". Das in Bronze gegossene Wappenzeichen der Hauptstadt geht auf die Entwürfe Renée Sintnis zurück. Eine Ausstellung im Kunstforum Ostdeutsche Galerie widmet sich nun dem Gesamtwerk der Bildhauerin, die mit 17 Jahren aus der brandenburgischen Provinz in die glitzernde Metropole Berlin kam.
Man wird Renée Sintenis nicht ganz gerecht, wenn man ihr Werk nur auf die Tierdarstellung reduziert. Auch die Regensburger Schau, die nun einen Überblick des Schaffens der 1888 in Schlesien geborenen und 1965 in Berlin verstorbenen Künstlerin zeigt, geht über dieses Thema hinaus.
Grazile Darstellungen
Da sind auch die Porträts bedeutender Persönlichkeiten der Berliner Kulturszene der 1920-er Jahre, mit denen Renée Sintenis engen Kontakt pflegte. Es gibt Bildnisse von Sportlern und Knabenfiguren - ebenso wie die grazilen Tierdarstellungen nicht ganz so weit entfernt von der eigenen Erscheinung dieser sportlichen Frau mit dem Hauch des Androgynen. Und es werden mythologische Motive gezeigt, nicht zu vergessen eine Reihe von grafischen Blättern, die das künstlerische Werk der Renée Sintenis abrunden.
Dennoch: Tiere waren das beliebteste Motiv der Künstlerin. Und nehmen daher auch in der Regensburger Schau eine verdiente Vorrangstellung ein "Die Tiere waren mir eine absolute Zuflucht gegenüber all den Anforderungen des Lebens an mich", ist Renée Sintenis im Kunstforum zitiert. "Sie forderten nichts von mir, sie wollten nichts, bei ihnen durfte ich ich selber sein."
Neben einer ganzen Reihe von Kleinplastiken, in denen Renée Sintenis vor allem die grazile Unbeholfenheit junger Fohlen, Zicklein oder Lämmer eingefangen hat - die Künstlerin arbeitete in ihrem Atelier nach dem Gedächtnis, aber nach eingehender Studie am lebenden Objekt - nimmt auch der "Berliner Bär" in der Regensburger Ausstellung eine tragende Rolle ein.
Renée Sintenis entwarf das Tier mit den charakteristischen erhobenen Tatzen 1956. Bald darauf zur Symbolfigur Berlins avanciert, wird eine Kopie von Sintenis' Bären bis heute als Trophäe bei den Berliner Filmfestspielen vergeben.
Höhepunkt im Kunstjahr
"Renée Sintenis gehörte als Bildhauerin zur ersten Generation von Frauen, die ihre künstlerische Tätigkeit als Beruf ausüben und davon leben konnten", fasst Agnes Tieze zusammen. Für die Direktorin des Kunstforums Ostdeutsche Galerie ist die Ausstellung "der Höhepunkt" im Kunstjahr 2019. "Zwischen Freiheit und Moderne" lautet der Titel der Schau. Eine Rolle spielt dabei auch die Selbstvermarktung Renée Sintenis': Ermutigt von ihrem Galeristen und Förderer Alfred Flechtheim baute die Künstlerin ein extravagantes Image auf. Sie ritt morgens durch den Berliner Tiergarten, unternahm nachmittags Touren mit dem Sportwagen, fehlte auf kaum einem Fest - und bezeichnete sich dabei selbst als schüchtern und zurückhaltend. Eine großformatige Fotografie zu Beginn der Ausstellung zeigt Renée Sintenis vis-à-vis mit einem Hund. Ein Reh wäre an dieser Stelle auch passend gewesen.
Service
Die Ausstellung „Zwischen Freiheit und Moderne. Die Bildhauerin Renée Sintenis“ läuft bis 12. Januar im Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg. Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, Donnerstag von 10 bis 20 Uhr. Donnerstag ab 17 Uhr ist der Eintritt frei. Weitere Infos unter www.kunstforum.net.
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