Der verurteilte Mörder, der am Donnerstag aus dem Regensburger Amtsgericht geflohen war, ist gefasst. Die Polizei nahm den Mann nach einer viertägigen Großfahndung am Montagabend in Frankreich fest. Wie Polizeivizepräsident Thomas Schöniger am Dienstag bei einer Pressekonferenz bekanntgab, hatte der Mann auf seiner Flucht rund 470 Kilometer zurückgelegt. Festgenommen wurde er schließlich im französischen Farébersviller – rund 30 Kilometer südwestlich von Saarbrücken und gut fünfeinhalb Autostunden von Regensburg entfernt.
Der 40-Jährige sei am Montag in Straßburg von französischen Polizisten mit einer seiner Schwestern in einem Auto gesehen worden. Gut 110 Kilometer entfernt, in Farébersviller, hatte sich der Verdacht, dass es sich um den Gesuchten handelte hatte, erhärtet: Bei der Festnahme um 18.10 Uhr habe der Mann keinen Widerstand geleistet, laut Polizei befindet sich der 40-Jährige aktuell in Frankreich in Haft. Weil den Behörden bekannt gewesen sei, dass in Frankreich Angehörige des Algeriers leben, sei eine Flucht nach Frankreich früh in Betracht gezogen worden.
Polizei: Indizien deuten auf Fluchthelfer hin
Polizeivizepräsident Schöniger betonte, dass es nicht nur Hinweise darauf gebe, dass die Flucht möglicherweise geplant gewesen sein könnte – auch sprach er von Indizien, die auf einen oder mehrere Fluchthelfer hinweisen könnten. Mögliche Kontaktpersonen würden geprüft. Schöniger betonte auch, dass der genaue Fluchtweg und die Frage, wie dem verurteilen Mörder die Flucht aus dem Regensburger Amtsgericht gelingen konnte, nun gründlich untersucht würden.
In Straubing und Würzburg im Gefängnis
Der 40-Jährige hatte 2011 mit einem Komplizen einen Lottoladen in Nürnberg überfallen und die 76 Jahre alte Besitzerin umgebracht. 2013 wurde er zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes verurteilt und saß seitdem in Straubing im Gefängnis. Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in der dortigen JVA im Jahr 2021 war er nach Würzburg verlegt worden. Er musste sich wegen dieser Tat nun am vergangenen Donnerstag vor dem Amtsgericht Regensburg verantworten.
Zwei Beamte hatten ihn deshalb gegen 10 Uhr in Würzburg abgeholt und nach Regensburg gebracht. Bis zum Beginn der Verhandlung sei er laut Polizei an den Händen gefesselt gewesen – die Richterin habe schließlich die Abnahme dieser Fesseln für die Verhandlung gestattet. Anders als bislang berichtet, habe der Mann keine Fußfesseln getragen. Gegen 14 Uhr, laut Polizeiangaben wohl kurz vor den Plädoyers, sprach der Angeklagte in einer Verhandlungspause in einem separaten Zimmer im Erdgeschoss mit seinem Anwalt – und sprang kurzerhand aus dem Fenster. Während einer der Beamten, der das Fenster von der Straße aus bewachen sollte, noch auf dem Weg nach draußen war, habe der andere Wachposten, der im Gebäude vor der Tür gestanden habe, den Sprung erst mitbekommen, als der Anwalt ihn darauf aufmerksam gemacht habe. Laut Augenzeugen sei der 40-Jährige in einer "extremen Geschwindigkeit" geflüchtet. Seine Verfolger – einer der Beamten war ihm durchs Fenster hinterher – hatte er nach einem Spurt Richtung Margaretenstraße abgeschüttelt. Die beiden Beamten, die den Mann hätten bewachen sollen, sind nach Polizeiangaben noch im Dienst.
Danach lief die Fahndung an: Die Polizei suchte nach eigenen Angaben mit einem Großaufgebot nach dem Mann. Eine genaue Zahl der in die Suche involvierten Polizisten könne er nicht geben, sagt Polizeivizepräsident Thomas Schöniger bei der Pressekonferenz am Dienstag. Faktisch habe jeder Beamte in Regensburg, Bayern und deutschlandweit nach dem Flüchtigen Ausschau gehalten. Nach der Flucht seien mehr als 161 Hinweise bei der Polizei eingegangen – unter anderem aus Schwandorf oder Hannover, wo wegen eines Hinweises ein ICE gestoppt worden war. Diese angeblichen Sichtungen hatten sich nicht bestätigt, ebenso wie diverse Gerüchte zur Flucht, die sich über die sozialen Medien verbreitet hatten. Nach dem Mann war auch international gefahndet worden, der Flüchtige soll sein Aussehen verändert haben, vor allem Frisur und Bart.
Der Verteidiger des Algeriers machte indes den Verantwortlichen des Amtsgerichts Vorwürfe. Anwalt Moritz Schmitt-Fricke sagte "Focus Online", die Besprechungsmöglichkeit mit Mandanten sei dort in zweierlei Hinsicht schlecht gelöst. Zum einen kritisierte der Anwalt, dass der Raum über eine schlecht einsehbare Milchglasscheibe verfüge, zum anderen bemängelte er die unverschlossenen Fenster.
Wie geht es weiter und welche Strafe droht dem Flüchtigen?
- Flucht an sich ist nicht strafbewährt – das "Entweichen des Gefangenen", wie der Gefängnisausbruch juristisch heißt, wird nicht bestraft. Allerdings sei laut Polizei zu prüfen, ob der 40-Jährige auf seiner Flucht andere Straftaten begangen habe. Gegen Fluchthelfer kann wegen des Verdachts der Gefangenenbefreiung ermittelt werden.
- Laut Polizei ist der 40-Jährige aktuell noch in der Nähe von Straßburg inhaftiert. Eine Überstellung nach Deutschland ist beantragt, ein genauer Zeitpunkt sowie eine genaue Ziel-JVA sei noch unklar.
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