Nicht immer wenn ein Autor ein Theaterstück von mehrstündiger Dauer schreibt, will er auch automatisch., dass ein derartiges Werk in voller Länge auf die Bühne kommt. So würde beispielsweise Elfriede Jelineks 2011 uraufgeführtes Werk "Winterreise" ungekürzt über fünf Stunden auf der Bühne einnehmen und wäre deshalb verständlicherweise so gut wie unaufführbar. Deshalb bedienen sich von der Uraufführung bis heute Regisseure mit Jelineks Zustimmung aus diesem Text-Pool, um die ihrer Meinung nach jeweils wichtigsten Aspekte für ihre individuelle Inszenierung herauszufiltern.
Eine Herausforderung
Auch das Siegerstück "Die Steigerung des Glücks" des Wettbewerbs "Talking About Borders" von Karl Koppelmaa, das nun am Theater Regensburg zur Uraufführung kam, hätte ungekürzt eine Spieldauer von zweieinhalb bis drei Stunden. Aber im Gegensatz zu Jelineks "Winterreise" ist es hier nur schwer möglich, ganze Passagen zu streichen, weil dadurch die Erzählstränge aus dem Zusammenhang gerissen würden.
Deshalb war es für den Schauspieldirektor Klaus Kusenberg, der die Novität des estnischen Autors im Theater am Haidplatz inszenierte, keine geringe Herausforderung, das Stück auf rund eine Stunde und zwanzig Minuten zu kürzen, ohne die Substanz dieses Bühnenwerks zu schädigen.
Aber Kusenberg gelang es hervorragend, auch in dieser verkürzten Fassung die wesentlichen Aussagen des Werks auf die Bühne zu bringen.
Gerüstartige Kulisse
Das Stück spielt im Jahre 2073 und damit nach dem Dritten Weltkrieg, der 2031 ausgebrochen war. In fünf Monologen erzählen fünf Figuren von ihren Biografien vor, während und nach dem Dritten Weltkrieg sowie von einer Person namens Sebastian. Das birgt eine weitere Herausforderung für die Regie, denn eine äußere Handlung weist das Stück praktisch nicht auf. Auch hier ließ sich Klaus Kusenberg zusammen mit seinem Ausstatter Michael Lindner einiges Einfallen, um eine ermüdende Standregie zu verhindern.
Die Ideen reichen von Monologen zu einer live gespielten Gitarre über Einspielungen aus der im Text mehrmals thematisierten "Pink Floyd"-Scheibe "Wish You Were Here", bis hin zu Bewegungsabläufen, welche die gerüstartige Kulisse und ein Zweisitzersofa geschickt miteinbeziehen und auch schon mal pulkartige Menschenknäuel bilden. Auch die Art wie Kusenberg in den Monologen hier und da Dialoge "vorgaukelt", bereichert das Geschehen.
Die Monologe der Figuren vermögen den Besucher nur wirklich zu fesseln, wenn die Bühnenakteure mit großer Leidenschaft agieren. Und genau das ist in dieser Uraufführung der Fall. Vor allem Michael Haake durchlebt die Figur des Esten Klaus mit fesselndem Ausdruck. Kaum nach stehen ihm aber auch Franziska Sörensen als geflüchtete Afghanin, Thomas Weber als Russe, Silke Heise als Frau und Susanne Berckhemer in der Rolle der Professorin.
Ob sich das Stück an den Theaterbühnen nachhaltig durchsetzen kann, darf allerdings bezweifelt werden. Denn erstens ist der Stoff an sich nicht gerade umwerfend neu und auch nicht immer gut durchdacht gesponnen und zweitens können die anstrengenden Monologe trotz aller Leidenschaft der Schauspieler hier und da doch etwas ermüdend wirken. Der intensive Applaus für die Bühnenakteure und die Regie war am Uraufführungsabend aber auf jeden Fall gerechtfertigt.
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