Dass sich der suspendierte OB Joachim Wolbergs vor Gericht bei der Wortwahl vergriffen hat, bleibt für ihn ohne Konsequenzen. In der vergangenen Woche hatte der SPD-Politiker im Prozess gegen ihn und drei weitere Beschuldigte Oberstaatsanwalt Jürgen Kastenmeier „Obergschaftler“ genannt.
Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin eine Protokollierung des Begriffs verlangt. Richterin Elke Escher lehnte den Antrag am Mittwoch mit einem mehrseitigen und umfassenden Beschluss ab. Der Begriff sei zwar unhöflich und respektlos, stelle aber keine Beleidigung dar und sei vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Escher zitierte zahlreiche frühere Urteile und erklärte, auch den Duden zu Rate gezogen zu haben, in dem das Wort „Obergschaftler“ aber nicht definiert werde.
Die minutenlangen Ausführungen der Richterin waren auch eine Botschaft an die beiden Konfliktparteien: Von Anfang an ist der Prozess geprägt von Auseinandersetzungen zwischen der Staatsanwaltschaft und Wolbergs mitsamt seinen Anwälten. Escher erteilte dem Antrag der Staatsanwaltschaft eine Abfuhr, fand aber auch für Wolbergs mahnende Worte: „Ich möchte Sie bitten, künftig mehr auf Ihre Wortwahl zu achten.“ Die Kammer habe genug mit dem eigentlichen Verfahren zu tun und nicht die Zeit, sich mit solchen aufwändigen Beschlüssen aufzuhalten.
Wolbergs gelobte daraufhin Besserung. Er sei im Gerichtssaal regelmäßig ausgeflippt, räumte er ein. „Das tut mir Ihnen gegenüber auch leid“, sagte Wolbergs in Richtung der Richterin. Auch von seinen eigenen Anwälten werde er dafür geschimpft. Wolbergs Verteidiger Peter Witting wiederum keilte nochmals gegen die Ermittler. Er sehe es als Affront gegen das Gericht und die Verteidigung, dass die Staatsanwaltschaft seit Beginn des Jahres stets mit einem wechselnden dritten Vertreter auftritt. Dieser könne zur Sache nichts beitragen, „sondern nur provozieren“.
Die Beweisaufnahme drehte sich am Mittwoch um den Komplex „Roter-Brach-Weg“. Im Zentrum steht ein Grundstück, das im Besitz des ebenfalls angeklagten Immobilienunternehmers Volker Tretzel liegt und das bislang als Gewerbegebiet ausgewiesen war. Anfang 2016 wurde ein Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans eingeleitet, um zu prüfen, ob Baurecht für eine Wohnbebauung geschaffen werden kann – bis heute ist das Verfahren nicht abgeschlossen.
Die Staatsanwaltschaft hegt den Verdacht, dass Wolbergs in Absprache mit Tretzel in der Planungsphase auf die Verwaltung und den Stadtrat einwirken sollte, „um das Planungsergebnis in maßgeblicher Weise zugunsten des Angeschuldigten Tretzel zu beeinflussen“. Im Gegenzug soll Tretzel Wolbergs 200 000 Euro versprochen haben, die dieser für noch offene Wahlkampfrechnungen benötigte habe. Das gehe aus abgehörten Telefonaten hervor.
Stadtplanungsreferentin Christine Schimpfermann sprach im Zeugenstand hingegen von „ganz normalen Abläufen“. Im Zuge einer Wohnbauoffensive habe die Verwaltung geeignete Gewerbeflächen im Stadtgebiet ermittelt, die für eine Wohnbebauung freigegeben werden könnten. Der Zuzug in die Stadt und die Flüchtlingssituation hätten das nötig gemacht.
Wer Tretzels Grundstück am Roten-Brach-Weg vorgeschlagen hatte, konnte Schimpfermann nicht mehr sagen. Es sei aus ihrer Sicht auf jeden Fall für eine Wohnbebauung geeignet. Auf ihren Vorschlag, im Gegenzug zur Umwandlung die Quote des sozialen Wohnungsbaus von 20 auf 50 Prozent auf dem Grundstück zu erhöhen, sei Tretzel nicht eingegangen. Wolbergs habe eine solche Erhöhung nicht offensiv verfolgt, sie aber auch nicht abgelehnt. Das Areal ist bis heute unbebaut.













Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.