Der Choral "Ach großer König, groß zu allen Zeiten" aus Bachs "Johannespassion" BWV 245 bildet den theologisch-thematischen Rahmen, er erklingt einleitend und als Zugabe. Auch die beiden weiteren Werke beweisen wieder einmal das hohe Niveau der Programmkonzeption des renommierten Festivals: Ensembleleiter und Organist Fabio Bonizzoni stellt "Membra Jesu Nostri" Bux WV 75 (1680) von Dietrich Buxtehude (1637-1707) und die frühe Bach-Kantate BWV 150 "Nach Dir, Herr, verlanget mich" (um 1709) nebeneinander. Die Zuhörer erleben Musik, die Bach faszinierte, erfahren, wie er darauf reagierte.
"Membra Jesu": Da vertont der Protestant Buxtehude einen lateinischen Text mit schwärmerisch-mystischem Akzent, der aus der mittelalterlichen "Rhythmica oratio" stammt. Die sieben Teil-Kantaten behandeln mit einer erotisch anmutenden Sprache ("O Liebender, den ich umarmen muss") die sieben Körperteile Jesu am Kreuz: Füße, Knie, Hände, Lende, Brust, Herz und Haupt. Die Musik-Meditation spendet Glaube und Hoffnung. Mit bewundernswerter Fantasie hat Buxtehude den umfangreichen Text auf den Punkt vertont hat. Die Musik lenkt die Gedanken auf das Passionsgeschehen, führt durch Trauer, Empörung, Erschütterung zur Erlösungs-Bitte: "Wenn ich einmal soll scheiden, teurer Jesu, dann erscheine mir."
Bei "La Risonanza" und ihrem Spiritus Rector Bonizzoni ist diese Musik in besten Händen. Traumwandlerisch sicher folgen Sänger und Instrumentalisten den häufigen Tempo-, Takt- und Affekt-Wechseln. Das gewitterschwangere Wetter fordert allerdings häufiges Nachstimmen zwischen den Sätzen. Die Aufführung wird mitgeschnitten und am Montag, 22. Juli (18.05 Uhr), auf BR-Klassik gesendet.
Beispielhaft zusammengestellt ist das Fundament, der Basso Continuo: Grundierende Orgel, zeichnende Viola da Gamba, fundamentierende Violone, ausdrucksstarke Theorbe. Leuchtend-mild die Sopranistinnen Aldona Bartnik und Francesca Cassinari. Faszinierend das Farbspektrum der Altistin Nausicaa Nisati von füllig-rund bis tenoral-herb. Strahlend präsent Tenor Raffaele Giordani. Erdig, glasklar und bestens verständlich Bass Salvo Vitale. Vibrato setzt man dem Stil angemessen nur als dezente Verzierung ein.
Johann Sebastian Bach pflegt 30 Jahre später mehr Textdeutung, er gibt den Instrumentalisten mehr solistisches Futter, etwa der Gambe in der Arie "Zedern müssen von den Winden oft viel Ungemach empfinden". Geradezu suggestiv der zentrale Choral der fünf Sänger "Leite mich in deiner Wahrheit". Genial der Schlusschor als Chaconne mit einem viertaktigen Thema, aufsteigend von H nach Fis. Ein nachdenkliches, theologisches, philosophierendes Finale frisch und jung gebliebener Tage Alter Musik.
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