Zurecht gilt der 1862 geborene und 1946 verstorbene Schriftsteller Gerhart Hauptmann als einer der wichtigsten Vertreter des literarischen Naturalismus. Seine Sozialdramen und Prosawerke wie beispielsweise "Rose Bernd", "Vor Sonnenaufgang" oder "Bahnwärter Thiel" sprechen eine deutliche Sprache und analysieren die gesellschaftlichen Probleme auf schonungslose Art bis ins kleinste Detail.
Nun widmet sich das Theater Regensburg Hauptmanns Drama "Vor Sonnenaufgang". Dabei handelt es sich aber nicht um die Originalfassung dieses 1889 in Berlin uraufgeführten Schauspiels, sondern um eine zeitgenössische Bearbeitung des 41-jährigen österreichischen Autors Ewald Palmetshofer.
Nun ist es grundsätzlich nicht einfach, ein Theaterstück in der heutzutage doch etwas antiquierten Sprache des 19. Jahrhunderts zeitgenössisch zu aktualisieren. Vor allem, weil man schnell Gefahr läuft, die inhaltliche Substanz des Stücks zu beschädigen. Aber die Produktion im Regensburger Theater am Bismarckplatz zeigt, dass es Palmetshofer gelungen ist, eine Ausdrucksweise zu finden, die geschickt oszilliert zwischen der Sprache des 19. Jahrhunderts und einem heutigen Sprachgebrauch, der durchaus auch einige Derbheiten aufweist. Dass die Regensburger Produktion wirklich zu fesseln vermag, liegt auch an der geschickten Inszenierung des jungen Regisseurs Robert Teufel und seinem Ausstatterteam, bestehend aus der Kostümbildnerin Rebekka Zimlich und dem Bühnenbildner Michael Lindner. Letzterer hatte in dieser Inszenierung allerdings nicht viel zu tun, denn Teufel stellt hier ganz deutlich das Wesentliche in den Vordergrund - und das sind nun einmal die Charaktere der Figuren und ihre Mono- und Dialoge.
So ist in dieser Inszenierung kein Bühnenbild in Form einer aufwendigen Kulisse vorhanden. Man sieht lediglich drei kahle Wände, die in einem pastellartigen Türkisfarbton gehalten sind. Die einzigen Requisiten sind ein paar Einkaufstaschen und eine Kartonverpackung für einen Auto-Kindersitz, die später auch als Abfalleimer dient. Kostümiert sind die Figuren aktuell, vom lockeren Anzug ohne Krawatte bis hin zum Proll-Look.
Durch gut durchdachte Bewegungsabläufe, bei denen die abgegangenen Figuren nie die Bühne verlassen, sondern ständig - wenngleich dann in Ruhe verharrend - präsent sind, schafft Palmetshofer eine verdichtete und auch bedrückende Atmosphäre, die den Theaterbesucher nicht kalt lässt.
Zum ausdrucksstarken Gesamtbild tragen alle Bühnenakteure bei, denn die Rollen sind treffend besetzt. So beeindrucken Guido Wachter als Thomas Hoffmann, Philipp Quest als Alfred Loth, Gero Nievelstein als Egon Krause, Susanne Berckhemer als Annemarie Krause, Inga Behring als Helene, Denia Nironen als Martha und Robert Herrmanns in der Rolle des Dr. Schimmelpfennig durch Leidenschaft und eine bis in die emotionalen Ausbrüche verständliche Artikulation.
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