Regensburg
15.01.2019 - 13:41 Uhr

Stimmwerck verstummt

Bei der vierten Zugabe des Vokalensembles Stimmwerck im historischen Runtingersaal hat sich der eine oder andere Zuhörer tatsächlich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel gewischt.

Mit Motetten und Liedern aus Renaissance und des Zeitgenossen Schanderl verabschiedet sich das Ensemble Stimmwerck vom Publikum. Bild: Michael Scheiner
Mit Motetten und Liedern aus Renaissance und des Zeitgenossen Schanderl verabschiedet sich das Ensemble Stimmwerck vom Publikum.

Auch beim anschließenden stehenden Applaus, mit dem das Publikum die Sänger verabschiedet, merkt man auch den vier Akteuren etwas Wehmut und Abschiedsschmerz an. Mit dem bewegenden Lied "Gott b'hüte dich" von Leonhard Lechner hat das Gesangsquartett die eigene und damit auch ein kleines Stück Regensburger Musikgeschichte abgeschlossen. Zwei aufeinanderfolgende Auftritte bilden das Abschiedskonzert des Ensembles Stimmwerck, das sich danach endgültig aufgelöst hat.

Diesen Schritt hatten die Sänger bereits letzten August am Ende der von ihnen gegründeten und 14 Jahre lang durchgeführten "StimmwerckTage" auf dem Adlersberg bei Regensburg angekündigt. Andere berufliche Verpflichtungen und persönliche Veränderungen sind dafür vorrangig verantwortlich, erläutert der in Weiden geborene Countertenor Franz Vitzthum. Er lebt heute in Heidelberg ist als Solist und Kammermusiksänger ständig bei Produktionen in ganz Deutschland und in Nachbarländern unterwegs.

Festival geht weiter

Tenor Klaus Wenk, der wegen eines beruflichen Wechsels bereits seine Mitarbeit beim renommierten Ensemble "Singer Pur" beendet hat, ist ebenfalls anderweitig erheblich eingebunden. Stimmwercks zweiter Tenor, Gerhard Hölzle aus dem Allgäu, plant in ein Kloster einzutreten, während Bassbariton Marcus Schmidl weiter als Sänger arbeitet. Zusammen mit "Singer Pur", bei dem er Gründungsmitglied ist, wird er das Festival am Adlersberg übernehmen und weiterführen.

Mit dieser positiven Nachricht tröstet Vitzthum die Konzertbesucher über das Ende der Gruppe hinweg. Viele hatten befürchtet, dass damit auch die StimmwerckTage gestorben wären. "Der Wert und die Bedeutung des Festivals für die Menschen und die Region", hebt Vitzthum in seiner Moderation hervor, "ist größer als das Ensemble. Es geht weit darüber hinaus!"

Welchen Beitrag Stimmwerck dazu geleistet hat, wird noch einmal in dem Abschiedskonzert mit geistlichen und weltlichen Lieder überwiegend aus der Renaissance deutlich. Das Ensemble setzt seit seiner Gründung 2001 in München einen wesentlichen Schwerpunkt in dieser spätmittelalterlichen Epoche mit seinem schier unerschöpflichen Reichtum an Vokalmusik.

Daraus entstanden im Laufe von fast zwei Jahrzehnten Forschungsarbeit und intensiver künstlerischer Auseinandersetzung zahlreiche CD-Einspielungen mit Komponisten- und Codexporträts. Für ihren letzten Liveauftritt stellen die Sänger daraus ein Wunschkonzert zusammen, jeder kann zwei Lieblingstitel vorschlagen und beisteuern.

Überirdischer Wohlklang

Im ersten Teil stehen Motetten und Lieder von Heinrich Isaac, dessen Schüler Ludwig Senfl, und Paul Hofhaimer im Mittelpunkt. Damit erinnert Stimmwerck an das 500. Todesjahr des habsburgischen Kaiser Maximilians, der mehrfach Regensburg besucht hatte und ein großer Kunstfreund war. Im zweiten Teil unter dem Titel "Memoria" stellen die Sänger Werke vor, die "uns ans Herz gewachsen sind und mit denen wir bei ihnen in Erinnerung bleiben wollen".

Darauf weist Klaus Wenk hin, der als einziger eine moderne Komposition des in Berlin lebenden Regensburgers Hans Schanderl (*1960) ausgewählt hat. "Mein Lied hat allen Zierrat abgelegt" beruht auf einem Text des indischen Dichters und Philosophen Rabindranath Tagore und ist von Schanderl mit ungewöhnlichen Harmonien und enger Stimmführung höchst spannend vertont worden.

Eingerahmt von Senfls "Non usitata" und "Wenn ich des morgens früh aufsteh"" verzaubert das Quartett die Zuhörer im voll besetzten mittelalterlichen Saal ein letztes Mal mit hingebungsvoller Intensität, einem manchmal fast überirdischen Wohlklang und einem Reichtum an feinsten klanglichen Nuancen, der seinesgleichen sucht. Tief anrührend Josquin des Préz' (1440-1521) vierstimmiges "Mille regrez", lebhaft und ein wenig verspielt Hofhaimers "Nach Willen dein". Auch wenn das stimmlich wie künstlerische hervorragende Ensemble nunmehr verstummt ist, durch seine Aufnahmen bleibt es erhalten. Und auch der Rundfunk wird die Aufzeichnungen vom Adlersberg sicher immer wieder einmal in seinen Programmen präsentieren.

 
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