(gib) Erst mussten Gespräche gelöscht werden, nun stellt sich die Verschriftlichung der Telefonmitschnitte als unzulänglich heraus: Die Telekommunikationsüberwachung der Beschuldigten im Verfahren gegen den suspendierten OB Joachim Wolbergs (SPD) und drei weitere Angeklagte bleibt ein Zankapfel.
Während Wolbergs im Saal 104 des Landgerichts Regensburg des Öfteren das Wort ergreift, schweigen die weiteren drei Beschuldigten beharrlich. Das tun sie auch weiterhin, doch am Dienstag waren erstmals die Stimmen von Bauträger Volker Tretzel, dem früheren SPD-Fraktionsvorsitzenden Norbert Hartl und Tretzels ehemaligem Mitarbeiter Franz W. zu hören - auf Tonband. Das Gericht ließ einige Telefonmitschnitte vorspielen, die vorwiegend im zweiten Halbjahr 2016 zwischen den Angeklagten untereinander oder mit weiteren Personen geführt wurden. Die Verteidiger hatten zu Beginn des Prozesses den Antrag gestellt, die Ergebnisse der umfangreichen Telekommunikationsüberwachung nicht als Beweismittel zuzulassen. Das Gericht folgte dem nicht, ordnete aber an, über 100 Mitschnitte zu löschen, weil es sich um Privat- und Anwaltsgespräche handelte.
Am Dienstag bahnte sich nun neuer Ärger an: Nachdem ein Telefonat zwischen Wolbergs und Hartl vorgespielt wurde, wandte sich Wolbergs wutentbrannt an Staatsanwältin Christine Ernstberger. "Hat die Staatsanwaltschaft dieses Telefonat gehört oder gelesen vor meiner Inhaftierung?", wollte er wissen. In der verschriftlichten Form würde die Hälfte fehlen, auch wichtige Details, die Unklarheiten von vornherein beseitigt hätten. Auch bei weiteren vorgespielten Gesprächen fehlten Teile. Hintergrund: Ein Teil der abgehörten Telefonate wurde für das Verfahren von Kripo-Mitarbeitern verschriftlicht.
Wolbergs Anwalt Peter Witting sprach von einem "wirklich großen Mangel, der diesem Verfahren anhaftet". Richterin Elke Escher nannte den Umstand "sehr unerfreulich". Führe er doch dazu, dass nun während der Verhandlung viele Gespräche angehört werden müssten. Das bedeute einen großen Zeitaufwand. Staatsanwältin Christine Ernstberger erklärte, die Verschriftlichung sei "wirklich nicht gut". Die Telefonate seien aber nur ein kleiner Bestandteil der Indizien, die zur Anklage geführt hätten, betonte sie.
In vielen der Telefonate ging es um Hartls angebliche Aussage gegenüber CSU-Stadtrat Christian Schlegl im Herbst 2014, dass Tretzel das begehrte Baugrundstück "Nibelungenkaserne" bekommen müsse, damit der SSV Jahn Regensburg weiter Geld von ihm bekommt. Tretzel war Hauptgeldgeber für den notorisch klammen Jahn. Hartl bestritt diese Aussage in mehreren Telefongesprächen mit verschiedenen Personen vehement. "Das ist ein Schmarrn, da hat der Schlegl was verwechselt", erklärte er etwa gegenüber Jahn-Chef Hans Rothammer. Wenn überhaupt, dann habe er gesagt, dass Tretzel ihm gegenüber geäußert habe, dass der Jahn wieder Geld bekommt, wenn er das begehrte Nibelungenareal erhält. Das sei für die Stadt aber kein Entscheidungsgrund gewesen. Tretzel bekam letztlich tatsächlich den Zuschlag für das Areal - laut Hartl aber aus rein sachlichen Gründen. Tretzel habe schlicht das beste Angebot abgegeben. Hartl hatte die Telefongespräche teils deftig fluchend und schimpfend geführt - was beim Vorspielen im Gerichtssaal immer wieder für Erheiterung sorgte. Auch Richterin Escher konnte sich das Grinsen nicht verkneifen.
Bereits am Vormittag hatte die frühere Leiterin von Wolbergs Wahlkampfbüro ausgesagt. Sie erklärte, Wolbergs im Zusammenhang mit Parteispenden als "sehr korrekt" erlebt zu haben. Sie habe keinen Anlass gehabt zu denken, dass etwas nicht stimmen würde. Dass Spenden häufig knapp unterhalb von 10.000 Euro eingingen, habe ihr Wolbergs damit erklärt, dass die Spender nicht veröffentlicht werden wollen. Das entspreche den Satzungen.
Eine Aussage ließ Richterin Escher aufhorchen: So berichtete die ehemalige Büroleiterin, dass Wolbergs am Rande einer Teambesprechung in der heißen Wahlkampfphase zu ihr sinngemäß Folgendes gesagt habe: Er würde noch mit 500 000 Euro an Spenden rechnen, von Tretzel oder aus der Umgebung von Tretzel. Sie sei in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass Tretzel Menschen in seinem Umfeld animieren würde zu spenden. "Für mich war immer klar, dass die Leute ihr eigenes Geld spenden", sagte sie. Die Staatsanwaltschaft geht hingegen davon aus, dass Tretzel bewusst Spenden über seine Mitarbeiter stückelte. Wolbergs erklärte, er habe bei der Teambesprechung wohl gesagt, dass noch 500.000 Euro an Spenden gebraucht und auch zugesagt seien - aber nicht allein, sondern auch von Tretzel.



















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