16.06.2019 - 15:58 Uhr

Roman-Bestseller "Die Päpstin" als großes Erzähltheater

Nur Mythos oder doch Realität? Egal, denn es ist so, dass Millionen Menschen vom Stoff und dessen Umsetzung fasziniert sind. Am Freitag wurde die Abendspielzeit der Luisenburg-Festspiele mit „Die Päpstin“ offiziell eröffnet.

Mit einer opulenten Inszenierung des Schauspiels "Die Päpstin" wurde am Freitag die Abendspielzeit der Luisenburg-Festspiele eröffnet Bild: Luisenburg-Festspiele/Miedl
Mit einer opulenten Inszenierung des Schauspiels "Die Päpstin" wurde am Freitag die Abendspielzeit der Luisenburg-Festspiele eröffnet
Eine grandiose Eli Wasserscheid überzeugte als Titelheldin Johanna Bild: Luisenburg-Festspiele/Miedl
Eine grandiose Eli Wasserscheid überzeugte als Titelheldin Johanna

Nichts anderes ist von Bedeutung: „Nothing else matters“, der alte „Metallica“-Klassiker, durchdringt in einer atemberaubenden Cello-Version die Stille. Johanna und Gerold geben sich auf der Bühne ihrer Leidenschaft füreinander hin und vergessen alles um sich herum. Es ist allein der Moment, der zählt. Und es sind die Folgen dieses Augenblicks, die unausweichlich in die Tragödie führen.

Mit „Die Päpstin“ hat Donna Woolfolk Cross einen Bestseller-Roman geschrieben, aus dem Susanne Felicitas Wolf ein Schauspiel geformt hat. Birgit Simmler, Künstlerische Leiter der Luisenburg-Festspiele, hat sich des Werkes angenommen und eine Inszenierung von großer Opulenz auf die Bühne gezaubert (Assistenz: Michael Wilhelmer, Jessica Specht). Ein spannendes Historien-Schauspiel mit grandiosen Darstellern, einer schlüssigen Dramaturgie und einem multidimensionalen Einsatz der Felsenbühne (verantwortlich: Karel Spanhak) erlebt das Publikum, darunter auch die Bayerischen Staatsminister Bernd Sibler (Kunst) sowie Thorsten Glauber (Umwelt).

Johanna lässt sich schon als Kind nicht unterkriegen. Sie ist das, was eine Rebellin ausmacht: Sie ist stark, mutig und kann einstecken – Schläge, aber auch Worte. Abbringen lässt sie sich von ihrem Ziel nicht, nämlich das Lesen und das Schreiben zu lernen, für ein Mädchen im 9. Jahrhundert nach dem offiziellen Verständnis einer patriarchalischen Gesellschaft geradezu widernatürlich. „Ich will. Will. Will“ lautet das Credo der Heranwachsenden, die ein selbstbestimmtes Leben führen will und sich eben keiner tradierten Rolle anpassen möchte. Verkleidet als Mann, tritt sie ins Kloster ein, erwirbt sich umfassendes Wissen in der Heilkunde, wird zum Leibarzt des Papstes und schließlich sogar selbst zum Papst. „Diese Maskerade bietet mir alles“, betont Johanna. Sie sei frei im Handeln und Denken.

Ein Stück wie „Die Päpstin“ lebt natürlich von einer adäquaten Besetzung der Titelrolle: Mit Elli Wasserscheid hat Simmler ein Traum-„Päpstin“ gefunden, die mit einem starkem Ausdruck, Energie und Gefühl vollends überzeugen kann. Dies gilt ebenso für ihren Geliebten und Verehrer Gerold, der von Christian Sengewald dargestellt wird. Der Kniff des Abends schlechthin wird in der Person des Todes verkörpert: Lukas Schöttler übernimmt – ganz in Weiß gewandet und geschminkt – diese symbolhafte Figur, die nicht nur den Part des Erzählers übernimmt, sondern dem vielfältigen Tod des Mittelalters ein Gesicht gibt. Jeder Auftritt der Figur ist mit dem Sterben eines Akteurs verbunden, musikalisch eingeleitet mit Cello-Klängen, die von Susanne Hirsch live eingespielt werden. Der Tod wird zum Ritual der Zeit, selten wurde auf der Luisenburg in der Vergangenheit anmutiger gestorben als an diesem Abend.

Simmler dokumentiert in ihrer Inszenierung auch die Grausamkeit (hervorragend abstrakt und musikalisch dargestellt), den Aberglauben, die Unwissenheit und den (kirchlichen) Fanatismus, der das 9. Jahrhundert dominierte. Das alles ist nur in den seltenen Fällen schmeichelhaft für die Katholische Kirche, wenn sie von Kotzbrocken, Heuchlern und Speichelleckern wie Bischof Fulgentius (Michael von Hohenberg), Johannes Vater (Martin Brunnemann), Arsenius (Armin Köstler) oder Anastasius (Oliver Möller) repräsentiert werden. Die Riege der Darsteller überzeugt durch die Bank, selbst jene Akteure, die mehrere Rollen übernehmen – beispielshaft seien Paul Kaiser und Nikola Norgauer genannt – können ihren Figuren eine erstaunliche Tiefe verleihen. Einen dicken Extra-Applaus haben die drei Kinder-Darsteller des Abends – Paul Büttner, Hannes Schmidt und Anna Rabenstein – verdient sowie der Bewegungschor, der in den gut choreographierten Massenszenen zum Einsatz kommt.

„Die Päpstin“ ist sicherlich keine leichte Kost. Aber eine Kost, die immer noch Parallelen zur Gegenwart bereithält und deswegen aktuell ist. Es ist ganz großes Erzähltheater, das mit Recht auch großen Schlussapplaus erhält.

 
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