Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Insekten bei den Menschen im Freistaat so eine Sympathiewelle auslösen? Aber nicht nur die Liebe zu den fleißigen Bienen dürfte die Unterzeichner beflügelt haben. Das Bewusstsein steigt, dass ohne Insekten die Bestäubung vieler Pflanzen untergraben würde. Artenschutz ist in dieser Logik auch Selbsterhaltungstrieb.
Keine Studie ohne Gegenstudie: Die Krefelder Studie, die die Initiatoren als Beleg anführen, dass die Hälfte der Insekten vom Aussterben bedroht sei, hat das RWI, das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung wegen methodischer Fehler als "Unstatistik des Jahres" bezeichnet. "Grundsätzlich ist es gut, dass man sich zusammensetzt", begrüßt Josef Wittmann, Geschäftsstellenleiter des Bayerischen Bauernverbandes in Schwandorfdas Gesprächsangebot der Staatsregierung. "Wir sind vorher nicht konsultiert worden." Das Ergebnis aus seiner Sicht: "Es redeten Leute, die von Landwirtschaft keine Ahnung haben, aber ein Gesetz auf den Weg bringen wollen, das Landwirte völlig verunsichert."
Und das in einer Zeit, in der wegen des enormen Preisdrucks kaum mehr ein Bauer langfristig investiere: "Da brechen Strukturen weg - wer will, dass es der bäuerlichen Landwirtschaft ergeht wie den Tante Emma Läden, soll so weitermachen." Wittmann will nicht den Eindruck erwecken, als wäre ihm der Artenschutz gleichgültig. Man müsse aber auch die Situation der Betriebe verstehen und anerkennen, was viele trotz wirtschaftlicher Hürden bereits leisten:
- Kulturlandschaftsprogramm (Kulap): Jeder zweite Bauer beteilige sich an Agrarumweltmaßnahmen. "Viele legen seit langem Pufferstreifen an, passen Schnittzeitpunkten an - jetzt befürchten sie, dass das nicht mehr gefördert werden könnte." Staunend nimmt er zur Kenntnis, wenn manche forderten, Umweltaspekte in die Ausbildung aufzunehmen: "Wir haben alles längst im Lehrplan, Landschaftspflege, Agrarökologie - so zu tun, als ob da nichts gemacht wird, ist nicht in Ordnung." In Regensburg stehe man bayernweit an Platz 2 bei der Anlage von Gewässerstreifen.
- Die Sündenbockrolle der Landwirteführe zur Resignation: "Es macht keinen Spaß mehr, sagen unsere Leute", zitiert Wittmann aus Gesprächen. Es schmerze, wenn bei Diskussionen der Initiatoren Falschmeldungen und Tatsachen vermengt würden: "Da wird das US-Agrarsystem mit Gentechnik und Großeinsatz von Spritzmitteln auf unsere bäuerliche Struktur übertragen, obwohl Gentechnik in Deutschland verboten ist." Andere behaupteten, man würde in großem Stil Glyphosat einsetzen, was aber nur in Ausnahmefällen der Fall sei: "Wir würden ja unseren eigenen Ertrag vernichten."
- Eine Flut von Auflagenstelle die eigene Wirtschaftsform infrage: "Wenn manche sagen, dann macht doch Heumilch, muss man komplett umstellen - eine Investition von 800 000 Euro in ein Heulager und ich brauche 30 Jahre, bis sich das amortisiert." In keinem anderen Wirtschaftsbereich würde man ein Unternehmen in eine Risikoinvestition drängen, die eine ganze Generation belaste. "Wir bewegen uns in schnellen Schritten Richtung staatlich betriebenen Produktionsbetrieben wie früher in der DDR, weil sich unter diesen Bedingungen kein bäuerlicher Familienbetrieb mehr halten kann."
- Die Politik beschleunigte den Rückgang blühender Wiesen: "Dass wir Defizite haben, dass nicht alle mitmachen, ist nicht von der Hand zu weisen", leugnet Wittmann keinesfalls den Artenrückgang. "Bis in die 60er Jahre hatten wir mehr blühende Wiesen, mehr Heunutzung", schildert er die Entwicklung. "Wir wurden aber war staatlich beraten, in die Silowirtschaft zu investieren." Je größer der Preisdruck, umso zwingender die Vorteile: "Man hat keine zusätzlichen Arbeitsgänge, keine zusätzliche Technik." Heu sei nun mal das teuerste und anfälligste Futter.
- 30-Prozent-Öko-Ziel: "Ich freue mich über jeden Betrieb, der umstellt", sagt Wittmann, "aber man muss davon leben können." Je mehr der Großhandel auf Bio setze, desto größer auch hier der Preisdruck. "Ich brauche für Milch und Fleisch aber andere Aufschläge, als die 10 bis 20 Prozent, die Verbraucher bereit sind mehr zu zahlen." Im Übrigen sei auch der biologische Landbau bestrebt, möglichst wenig Beikräuter zu haben, nur werde hier mit mechanischen Methoden gearbeitet. "Eine Lösung für Bienen ist das nicht."
- Auch könne die Landwirtschaft nicht für alle Insektenarten geeignete Lebensräumeschaffen: "Wildbienen brauchen Steinhaufen, einen Lehmhang, einen alten Feldweg." Eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft: "Es ist bei uns in Deutschland einfach zu sauber", beklagt der BBV-Vertreter, "Raine werden abgemäht, Kommunen mulchen die Straßenränder, vorm Einfamilienhaus steht der Steingarten, hinten mäht der Roboter den Englischen Rasen."
- Wittmann appelliert an die Kompromissbereitschaft aller Beteiligten. Man könne zu Lösungen kommen, "die gehen aber nicht zum Nulltarif und sie kosten Zeit", warnt Wittmann. Dabei würden die Landwirte gerne Modelle forcieren, die jeder Verbraucher nutzen könne. Beispiel Tirschenreuth, wo Alexander Weigl "Blühflächen zum Mitmachen"anbietet: "Jeder kann eine Patenschaft für 50 Euro je 100 Quadratmeter im Jahr übernehmen", bewirbt der Milchbauer seine Idee auf Facebook.
- Auch Raps mit seiner großen Pollendichte könne ein probates Mittel sein, dem Insektensterben entgegenzuwirken. "Der Landwirt fährt abends raus, wenn die Bienen im Stock sind", erklärt Wittmann die Umstellung, "er spritzt nicht in die Blüte, sondern muss genauer mit Droplegs dosieren." Eine Win-win-Situation, der Bauer profitiere von der besseren Bestäubung, Bienen und Co. bekämen Futter. Und auch der Verbraucher könne seinen Beitrag leisten, in dem er ein paar Euro mehr für heimischen Honig ausgebe: "Das stützt unsere regionalen Imker."
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